Kommunikatives Raumkontinuum

Autor:
Peter Petz | Podest
Veröffentlicht am
Juni 27, 2012

behet bondzio lin gewinnen den Wettbewerb um den Neubau des Lehrgebäudes für Recht und Wirtschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen. Tim Kossel stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Blick auf den neuen Eingang 
Welche Bedeutung hat der Wettbewerb für die Justus-Liebig-Universität Gießen?
Die momentan bestehende Unterversorgung mit Unterrichtsräumen und die zu erwartende Verschärfung dieses Zustandes durch die doppelten Abiturjahrgänge wird mit Errichtung des Neubaus dauerhaft behoben. Zudem wird durch die Positionierung des neuen Baukörpers die Präsenz des Campus Rechts- und Wirtschaftswissenschaften im öffentlichen Raum der Stadt Gießen gestärkt.
Lageplan 
Wie haben Sie auf den Kontext reagiert?
Der bauliche Kontext stellt sich im Bezug auf Typologie und Materialität sehr heterogen dar und ist im Wesentlichen durch zwei prägnante Zeitschichten definiert. Zum einen das Gebäudeensemble der denkmalgeschützten, ehemaligen Provinzialsiechenanstalt aus dem 19.Jahrhundert und zum anderen durch einen universitären Erweiterungsbau aus den 1970er Jahren ohne nennenswerte Bezüge zum Bestand. Wir plädieren für einen möglichst zwanglosen Umgang mit der vorgefunden baulichen Situation, indem wir mit unserem Konzept eine neue architektonische Zeitschicht selbstbewusst und deutlich ablesbar formulieren. Gleichwohl wird durch Aufnahme von Geschossigkeit und Materialität eine Einfügung in den Kontext erzielt. Auf städtebaulicher Ebene werden vorhandene räumliche Bezüge gestärkt. So bildet der Neubau zusammen mit den Bestandsbauten nach Süden hin einen großzügigen Vorplatz aus. Dieser wird zum zentralen Bereich des Ankommens und Verweilens auf dem Campus.
Neubau+Erweiterungsbau, Erschließung 
Wie organisieren Sie das Lehrgebäude Recht und Wirtschaft?
Im Inneren wird die bestehende Raumstruktur des Bibliotheks- und Hörsaalgebäudes aus den 1970er Jahren aufgenommen und in die Struktur des Neubaus überführt. Die im Rahmen der Auslobung geforderte Anbindung an den Bestand erfolgt durch direktes Anbauen an den östlichen Gebäudeteil. Die durchgängige Erschließungsfläche des Bestandsbaus wird dabei im UG und EG niveaugleich und barrierefrei an die Erschließungsflächen des Neubaus angeschlossen.
Der kompakte Baukörper wird durch das räumliche Ineinandergreifen des zentralen Lichthofs in den beiden Obergeschossen und des zweigeschossigen Eingangsfoyers gegliedert. Die hierdurch räumlich geprägten horizontalen und vertikalen Erschließungszonen, wie die zentrale Treppenanlage, zeichnen sich durch ein hohes Maß an Orientierbarkeit aus und fördern die Begegnung und Kommunikation.
Die Seminarräume organisieren sich in den beiden oberen Geschossen um eine ringförmige, den Lichthof umschließende Verkehrsfläche und wenden sich mit großzügigen Öffnungen der Umgebung zu. Der vom Foyer aus über die offene zentrale Treppe erschlossene große Hörsaal bietet unter Ausnutzung des natürlichen Geländeverlaufes eine zweiseitig natürliche Belichtung. Die Erweiterungsfläche der Cafeteria wird zentral, aber dennoch unbeeinträchtigt von den Hauptverkehrsströmen angeordnet.
Untergeschoss, Schnitt 
Erdgeschoss, Schnitte 
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Zentrales Thema unseres Entwurfes ist die Schaffung eines „kommunikativen Raumkontinuums“ im Inneren des Gebäudes. Dieses erreichen wir durch Ausbildung eines Foyerbereiches, der differenzierte Sichtbezüge über alle vier Hauptgeschosse schafft.
Obergeschoss, Ansicht Süd 
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Im Allgemeinen sieht unser Konzept einen reduzierten Materialkanon vor. Die äußere Gestalt des Gebäudes wird, in Anlehnung an den Bestand, durch Betonfertigteile und großzügige Glasflächen bestimmt. Für den Innenraum sind neben sichtbaren Betondecken, weiß verputzte Wände und Linoleumböden in einem dunklen Farbton vorgesehen. Akzente ergeben sich durch einzelne Holzeinbauten.
Detail 
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Im Nachgang zum Wettbewerbsverfahren wurden die Preisträger, im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens, zur Überarbeitung Ihrer Entwürfe aufgefordert. Nach Abschluss dieses Verfahrens ist von einer zeitnahen Beauftragung auszugehen. Derzeit wird ein Fertigstellungtermin im August 2014 anvisiert.
Modell (Foto: ANP-Architektur- und Planungsgesellschaft mbH, Kassel) 

Die komplette Wettbewerbsdokumentation finden Sie in
wa 06/2012
Neubau Lehrgebäude Recht und Wirtschaft, Justus-Liebig-Universität Gießen
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Monika Weber-Pahl, Vors.
Monika Bader
Manfred Balg
Friedhelm Dorndorf
Prof. Dr. Martin Gutzeit
Prof. Dr. Joybrato Mukherjee
Prof. Thomas Meurer
Prof. Alexander Reichel
Gerda Weigel-Greilich

1. Preis
behet bondzio lin
Münster

2. Preis
Michel + Wolf + Partner
Stuttgart

3. Preis
Bez + Kock
Stuttgart

4. Preis
Atelier 30
Kassel

5. Preis
Dierks Blume Nasedy
Darmstadt