Ab damit in den Koffer

Autor:
sh
Veröffentlicht am
Aug. 16, 2010

 
Urlaubszeit ist Reisezeit. Doch auf gute Architektur muss man auch während der schönsten Tage des Jahres nicht verzichten. Den mittlerweile zahlreichen Architekturführern sei's gedankt. Drei Neuerscheinungen aus dieser Vielfalt werden hier nun vorgestellt.
Berlin hat in Sachen Architektur einiges zu bieten. Um in diesem Wust auch die unbekannteren, kleinen Bauten zu finden, klemme man sich den neuen "Architekturführer Berlin-Mitte" unter den hoffentlich kräftigen Arm. Denn mit mehr als 1.100 Seiten bringen die beiden relativ großen Bände mit knapp 1,8 Kilogramm ordentlich Gewicht auf die Waage. Doch die Mühe lohnt. Denn Dorothee Dubrau, die von 1990 bis 2006 Baustadträtin in Berlin war, stellt in ihrem Architekturführer nicht nur die hinreichend bekannten Neubauten der sogenannten Stararchitekten vor, sondern nimmt sich auch kleiner Wohnhäuser, Remisen, sanierter Gebäude, dem öffentlichen Raum, vom Abriss bedrohter Bauten... an. Einer ausführlichen Einleitung folgen 18 Kapitel: für jeden der 14 historischen Stadtteile einer plus "Bauten des Bundes", "Botschaften und Landesvertretungen", "Abrisse" und "Öffentlicher Raum". Dabei ist jedes Kapitel wiederum in eine Einführung, eine detaillierte, gut lesbare Karte und die Beschreibung der Bauten unterteilt. Diese Feingliederung kommt dem Leser bei seiner Lektüre sehr entgegen, die unterschiedlichen farbigen Markierungen eines jeden Kapitels am oberen Seitenrand leisten ein Übriges. Zu jedem Projekt stillt nach den Angaben von Adresse, Architekt, Bauherr und Baujahr ein profunder Text den Wissensdurst des Architekturliebhabers. Mit einem Preis von 38 Euro ist dieser Architekturführer mehr als günstig, wobei dazu auch zahlreiche, am Beginn des Buches aufgeführte Sponsoren beigetragen haben. Und eine Kleinigkeit sollte man nicht vergessen: den Blick in die hintere Umschlagseite, auf der das Liniennetz der Schnellbahn zu finden ist. Eine unerlässliche Hilfe bei der Planung, ebenso wie das Architektenverzeichnis im Anhang.
Für ein kleines, sehr handliches Format hat man sich bei Scheidegger & Spiess für den Architekturführer "Zürich wird gebaut. Ein Führer zur zeitgenössischen Architektur 1990-2010" entschieden. Als Taschenbuch und nicht als gebundene Ausgabe eignet er sich bestens dazu, in den Rucksack oder in eine größere Hosentasche gepackt zu werden und seinen Besitzer auf den Streifzügen durch die Schweizer Stadt an See und Fluss zu begleiten. Der Titel spiele darauf an, so Roderick Hönig in seinem Vorwort, dass in Zürich in den vergangenen zwanzig Jahren besonders viel gute Architektur gebaut worden sei. So wurden im Vergleich zur ersten Ausgabe 61 Bauten neu aufgenommen, 42 weitere erachtete der Herausgeber als so wichtig, dass sie den Sprung vom alten, bereits ausverkauften Buch ins neue geschafft haben. Die Bandbreite reicht dabei von öffentlichen Gebäuden über Privatbauten bis hin zu Ingenieurbauwerken, wie dem Bahnhof Stadelhofen. Jedes Objekt wird auf einer Doppelseite mit einer tabellarischen Information zu Architekt, Kosten, Adresse..., einem kurzen Text, einem Bild und meist zwei Plänen vorgestellt. Besonders hilfreich sind die Angaben zur nächsten Haltestelle des ÖPNV und den dort passierenden Linien. Zur einfacheren Recherche sind die 103 Objekte darüber hinaus in vier Gebiete, wie Zürich City und Zürich West, und damit Kapitel unterteilt. Auf den Karten, die einem jeden vorangehen, hätte man sich zur besseren Orientierung noch den einen oder anderen Straßennamen gewünscht. Einheitliche, gut lesbare Pläne und die Fotografien des bekannten Fotografen Roger Frei, der alle Objekte eigens für dieses Buch vor die Linse genommen hat, zeugen von der Qualität des Büchleins. Das Vorwort, eine Einleitung, ein Essay über den Erfolg junger Architekturbüros und der Anhang mit Architekten- und Objektverzeichnis runden die mit 29,90 Euro preislich angemessene Publikation ab.
Wer von der Stadt genug hat, der schnappt sich den "Architekturführer Ostfriesland". Ostfriesland bietet seinen Besuchern nicht nur schöne Strände, sondern auch jede Menge sehenswerte Baudenkmale und Kunstgegenstände. An welchen teils versteckten Orten diese zu finden sind, zeigt Gottfried Kiesow in diesem Buch. Kiesow betreute als Bezirkskonservator in den 1960er Jahren dieses Gebiet, kennt sich somit bestens aus. Die Präsentation der Informationen – mit einem Schwerpunkt auf den Stadt- und Dorfkirchen – erinnert stark an einen klassischen Reiseführer, der den Leser mitnimmt auf eine Tour durch vier Städte und sechs Regionen. Hinzukommt ein Extrakapitel mit der Seebad- und Urlaubsarchitektur der Inseln. In jedem Kapitel werden die Gebäude nach einer geschichtlichen Einführung nicht jeweils einzeln beschrieben, sondern eingebettet in einen Fließtext. Dem, der nicht planen will, macht es dieses Buch somit einfach. Wer sich allerdings lieber nur einen Bau hier, eine Kirche dort anschauen möchte, der muss sich aus dem Text mühsam die entsprechende Beschreibung heraussuchen. Sehr hilfreich sind dagegen die Karten und Stadtpläne, auf denen mit fortlaufenden Nummern die besprochenen Gebäude markiert sind. Leider tauchen diese Nummern im Fließtext nicht mehr auf, stimmen mit den Bildnummern nicht überein. So gestaltet sich auch die Suche nach der passenden Fotografie als schwierig. Letzteren sieht man deutlich an, dass hier kein Profi am Werk war und auch in die Bearbeitung der Bilder nicht ausreichend Zeit investiert worden ist. Nach innen fluchtende Gebäudekanten hätten perspektivisch entzerrt, manch störender Schnipsel eines Baumes oder einer Straßenkante am Bildrand entfernt werden müssen. Mit 384 Seiten und einem Format von 13,5 x 19 Zentimetern ist dieser Architekturführer für Rucksack oder Handtasche gerade noch klein genug und mit 24,80 Euro sein Geld trotz der Nachteile auch wert. Denn immerhin verbergen sich darin Informationen zu einem relativ großen Gebiet, nicht nur zu einer Stadt, und zu historischen Gebäuden. Und deren Geschichte zu erfassen, ist weitaus zeitaufwändiger als bei Neubauten. sh