Bürohaus, Hamburg
Fassadentechnik tanzt
26. Juni 2006
Schmal und hoch markiert die Fassade eine Ecksituation; links schließt sich die Längsseite an, die vom engen Straßenraum aus als Bild kaum zu erfassen ist.
Auf einem etwa dreihundert Quadratmeter großen, besser gesagt: kleinen Grundstück mitten in Hamburg, zwischen Jungfernstieg und Ost-West-Straße, sollte schon seit längerem ein Bürohaus entstehen. Ein ständiges Zankthema in diesem "Altstadt"-Quartier – älter als hundert Jahre ist die Bebauung allerdings nicht – liefert die Höhenbegrenzung; Traufhöhendebatten scheinen nicht auf Berlin begrenzt zu sein. Carsten Roth, der aus Hamburg stammt, in Braunschweig und Wien studierte und inzwischen auch in den USA arbeitet, hatte auf dem winzigen Grundstück kaum Gestaltungsmöglichkeiten. Aber die wenigen Chancen, dem Gebäude vor allem stadträumliche Identität zu verleihen, nutzte er vortrefflich. Besonderes Augenmerk richteten die Architekten auf die Fassade: Auf einer Tiefe von nur dreißig Zentimetern wird mit einer ausgetüftelten Reliefierung erreicht, dass man als Fußgänger neugierig nach oben schaut. Gefalzte Bleche vor beweglichen Flügeln sind von Etage zu Etage versetzt und ergeben aus der Straßenperspektive eine muntere, optische Täuschung: Das Haus sieht aus, als drehe es sich um sich selbst, als winde es sich an Ort und Stelle.
Gefalzte Blechelemente sind von Etage zu Etage leicht versetzt und fügen sich zu einer Art Fassadenrelief; auf die alte "Traufkante" reagiert das Haus mit einer deutlichen Zäsur.
In der Höhenentwicklung sind die klassischen Zonen Erdgeschoss, Etagen und Dachbereich berücksichtigt, das heißt, die städtischen Spielregeln eingehalten. Die plastische Gestaltung von Fassaden ist offenbar auf dem Vormarsch, nachdem wir uns an aalglatten Glas-, Beton- oder Steinfassaden etwas satt gesehen haben – wie auch bei Andreas Hild oder sauerbruch hutton. Von einem "Ornament" möchte man bei diesem Hamburger Haus nicht sprechen, denn technische, funktionale und formale Überlegungen sind in die Fassadengestaltung als Ganzes eingeflossen – und machen Carsten Roths Architektur deswegen zu etwas Besonderem. Die Usancen in der Stadt bringen allerdings eine unkontrollierbare Unwägbarkeit mit sich: Je nach Nutzer wird das Erdgeschoss immer wieder anders aussehen. Doch das wird dem Haus als Ganzem nicht schaden, sondern seine Stadttauglichkeit beweisen müssen.
Ursula Baus
Auch das sehr enge Treppenhaus ist mit Sorgfalt entworfen und ausgeführt.
Lageplan
Bürohaus
2005
Rolandsbrücke 4
20095 Hamburg
Auftraggeber
Dr. Bernd Kortüm
c/o Norddeutsche
Grundvermögen
Hamburg
Architektur
Carsten Roth
Hamburg
Tragwerksplanung
Bollinger + Grohmann
Frankfurt am Main
Gebäudetechnik
RMN Ridder Meyn Nuckel
Norderstedt
Fotografie
Klaus Frahm