Wem gehört welche Stadt?

Christian Holl
8. Juni 2011
Heiß diskutiert: die Zukunft des Campus Bockenheim, hier das dem Verfall preisgegebene Philosophikum Ferdinand Kramers. (Bild: Christian Holl) 

Nun also auch Frankfurt. Nach den Hamburger Konflikten (zum Beispiel um die Rindermarkthalle), denen in Köln, um Stuttgart 21 und um das Museum Sander in Darmstadt droht nun eine weitere Auseinandersetzung spektakulär zu eskalieren. Es geht dabei um den Bockenheimer Campus, der nach dem Abzug der Goethe-Universität (voraussichtlich bis 2015) in einen Kulturcampus mit einem Anteil hochwertigen Wohnungsbaus verwandelt werden soll. Nicht wenige Bürger wollen allerdings auch die Chance genutzt sehen, die angespannte Lage auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt durch preiswerten Wohnungsbau zu entschärfen. Die Angst vor Gentrifizierung bewegt auch in Frankfurt die Menschen mehr, als es die Politik bislang berücksichtigte.
Ob gewollt oder nicht, demonstrativ wurde diese Angst kürzlich bagatellisiert: Die Vertreter der Bürgerinitiativen, die sich für preiswerten Wohnungsbau einsetzen, waren bei einer offiziellen Veranstaltung nicht auf dem Podium vertreten und so endete dieses Bürgerforum am 16. Mai in einem Eklat: Unter Gebrüll und anhaltendem Jubel wurde jedem Redner das Sprechen so lange unmöglich gemacht, bis er aufgeben musste. Nun mag man diese Menschen Querulanten schimpfen oder ihnen ein merkwürdiges demokratisches Verständnis vorwerfen, helfen wird dies nichts. Man wird konstatieren müssen, dass hier stellvertretend für andere Entwicklungen in der Stadt der Nachweis erwartet wird, dass die Probleme der Menschen ernst genommen werden, dass eine Beteiligung nur dann eine echte Beteiligung ist, wenn es tatsächlich etwas zu entscheiden gibt – dieses Gefühl konnte man hier noch nicht glaubhaft vermitteln, auch wenn die aufgeschreckten Verantwortlichen rasch auf einer weiteren Diskussionsveranstaltung die Lage vorerst entspannten. Nun müssen eben nicht zuvorderst Taten, nun muss ein ergebnisoffener Prozess folgen. Es wäre dann zu wünschen, dass dabei auch die denkmalgeschützten und teilweise dem Verfall preisgegebenen Bauten Ferdinand Kramers in neue Konzeptionen einbezogen werden. Schnell klein beigeben werden die Initiativen jedenfalls nicht: Am 11. Juni veranstaltet das Initiativen-Bündnis "Wem gehört die Stadt" einen Aktionstag.

Nicht im Zentrum, aber in Bezug auf preiswerten Wohnungsbaus kaum weniger nebensächlich ist die Frage, wie man in Zukunft mit der Nordweststadt umgehen will. Die Großsiedlung aus den 1960er Jahren, nach Plänen von Walter Schwagenscheidt und Tassilo Sittmann errichtet, ist zwar noch beliebter Wohnort, aber dass diese Siedlung zu einem Problemfall werden kann, wenn sie nicht rechtzeitig an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst wird, nicht bald behutsam ihre Mängel behoben werden, ist offensichtlich. Der Wettbewerb zur Weiterentwicklung der Nordweststadt ist nun entschieden – ausgezeichnet wurde der Beitrag des Berliner Büros Annabau, der die Eigenheiten und Qualitäten der Nordweststadt, ihre parkartige Anlage stärkt und sie sensibel mit neuen Orten strukturiert und mit Wohnhöfen ergänzt. Dass dieser Wettbewerb recht geräuschlos entschieden und kaum öffentlich diskutiert wurde, zeigt, woran die Diskussion über das Wohnen in der Stadt eben auch krankt: Es wird nicht die ganze Stadt diskutiert. ch

Wenig beachtet: der Wettbewerb zur Weiterentwicklung der Nordweststadt, hier ein Ausschnitt der mit dem 1. Preis ausgezeichneten Arbeit. (Bild: Annabau, Berlin) 

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