Was lange währt

Ursula Baus
28. März 2012
Der Entwurf von Georg Scheel Wetzel aus Berlin

Wenn man ins Gedächtnis ruft, wie lange es gedauert hat, bis in Berlin eine NS-Dokumentation und das Holocaust-Denkmal entstanden sind, dann erschließt sich die Peinlichkeit, dass in München alles noch viel länger dauert. München war seit 1935 "Hauptstadt der Bewegung". Der Begriff der Nationalsozialisten war 1993 als Titel einer Ausstellung im Münchner Stadtmuseum übernommen worden: 1919-20 wurde die NSDAP in München gegründet, und bis 1945 befand sich hier der Sitz der NSDAP-Reichsleitung. Winfried Nerdinger, Leiter des Architekturmuseums in der Münchner Pinakothek der Moderne, war unermüdlich darin, die Verflechtungen der Stadt mit dem Nationalsozialismus nicht zu verharmlosen, sondern akribisch bis in alle Gesellschaftsstrukturen, alle repräsentativen Orte und entlegene Winkel hinein aufzuarbeiten. Zum Beispiel 2006 mit der Ausstellung "Ort und Erinnerung – Nationalsozialismus in München". Er wird jetzt als Wunschkandidat des Münchner Kultureferenten Küppers genannt, wenn es um die Gründungsdirektion des NS-Dokumentationszentrums an der Brienner Straße nahe dem Königsplatz geht. Bis 2014 soll Winfried Nerdinger mit anderen Historikern dem Zentrum eine inhaltliche Ausrichtung geben. Den Wettbewerb für den Bau des Zentrums auf dem Grundstück der ehemaligen NSDAP-Parteizentrale ("braunes Haus") hatten die Berliner Architekten Georg Scheel Wetzel gewonnen – mit einem ikonographisch distanzierten, hellen, asymmetrisch akzentuierten Kubus, zu dem am 9. März 2012 der Grundstein gelegt wurde – für eine Art Überall-und-nirgends-Architektur?
Es wäre nicht München, wenn es bei der Ausrichtung – und damit der Direktionsbesetzung – des NS-Dokumentationszentrums keinen Ärger gegeben hätte. Der Münchner Stadrat und die erste Gründungsdirektorin Irmtrud Wojak, waren uneins über Konzeption und Kommunikationsformen.
Korrektur am 8. Mai 2012: In diesem Beitrag "Was lange währt" vom 28.3.2012 hatte ich im Zusammenhang mit der Architekturentwicklung  des NS-Dokumentationszentrums geschrieben, dass Frau Irmtrud Wojak "entlassen" worden sei. Diese Information, die ich der Presse (Süddeutsche Zeitung, u. a.) entnommen hatte, ist falsch. Vielmehr wurde das Arbeitsverhältnis von Frau Irmtrud Wojak und ihrem Arbeitgeber, der Stadt München, einvernehmlich aufgelöst. Wir bedauern, dass dieser Sachverhalt nicht wahrheitsgemäß an unsere Leser herangetragen worden ist. ) 
So gab es fortan ein vierköpfiges Gremium für den zweiten Versuch: Nerdinger mit den Historikern Marita Krauss, Hans Günter Hockerts und Peter Longerich. Gewiss verfügt Winfried Nerdinger über das Wissen zur Sache und auch reichliche Ausstellungserfahrung, um diese Phase des Zentrums steuernd zu begleiten. Es könnte aber doch sein, dass wie in Berlin bei der "Topographie des Terrors" Ungemach mit der Architektur ansteht.

NS-Dokumentationszentrum München

Der Entwurf von Georg Scheel Wetzel aus Berlin
Lageplan am Königsplatz 

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