Verwaiste Architekturtheorie-Lehrstühle

Ursula Baus
1. Dezember 2010

Nein, ganz so schlimm, wie es die Überschrift dieser Meldung nahe legt, ist es nicht. Wenn Ende November Frank Werner in Wuppertal sein letztes agt-Symposium zum Thema "Kraftakt Architektur: Jeu magnifique oder/und Medium des Sozialen" veranstaltete, ist doch klar, dass seine Position an der Hochschule von einem/r würdigen Nachfolger/in besetzt wird. In Cottbus verabschiedet sich Eduard Führ vom Theorie-Lehrstuhl, in Hamburg wird Hartmut Frank im Frühjahr die Hafencity-Universität verlassen. Seine Position ist nicht neu ausgeschrieben, so dass man befürchten muss, dass Architekturtheorie und Baugeschichte an der HCU marginalisiert werden. Kulturwissenschaftliche Lehrinhalte sind in ein "studium fundamentale" verbannt, wozu vielleicht eines Tages die Architekturtheorie und -geschichte gezählt wird.
Ein sicherer Hort für Geschichte und Theorie der Architektur ist und bleibt die Stiftung Bibliothek Werner Oechslin in Einsiedeln. Dort treffen sich Wissenschaftler immer wieder in kleinen Kreisen, um Themen zu debattieren, in denen man mit modischer Diskursrhetorik nicht weiterkommt. Am kommenden Wochenende geht es in der Stiftung um das "METIER oder das Berufsbild des Architekten": um die Kompetenz des Architekten, die – so die These – nicht darin liegt, "ob und wie man baut, sondern wie man das mehr oder minder klug und geschickt angeht, wie Erfahrung eingesetzt wird, wie aus wiederholter Erfahrung Kunst wird und wie man in einer konkreten Situation kraft seiner – an die Erfahrung gekoppelten – Intelligenz zu neuen Ansätzen und Lösungen gelangt". Das Gespräch bezieht sich auf die kürzlich erschienene Publikation "Architekt und/versus Baumeister" zum gleichlautenden Barocksommerskurs der Stiftung 2006. Im neugierigen Blick zurück galt es, das Berufsbild und eben das "Metier" des Architekten erneut unter die Lupe zu nehmen, denn zu simpel hat die Kunstgeschichte ihr Verständnis vom "Künstler"- und vom "Handwerker"-Architekten in die Vergangeheit projeziert  sie tut es bisweilen heute noch.
Am Wochenende wird aber auch in Berlin debattiert. Beim 15. BDA-Gespräch sinnen Künstler, Architekten, Philosophen und Publizisten über "Die beste aller Welten. Vorteil und Nutzen der Utopie". Angeblich werde seit 1989 der Utopie "jegliche Glaubwürdigkeit abgesprochen", "positive Zielwerte" seien entschwunden. Beim BDA wird nun "die Fortsetzung des utopischen Denkens in unserer Zeit" erörtert – wir werden berichten. ub

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