Unterirdisch gut

Christian Holl
19. Januar 2011
Bild: Kuehn Malvezzi, Berlin

Schon bevor die Entscheidung zugunsten des Entwurfs von Kuehn Malvezzi, Berlin, im Frankfurter Wettbewerb für das Museum der Weltkulturen gefallen war, hatte es Auseinandersetzungen gegeben: Um die Auswahl der Architekten (zu den 12 gesetzten wurden von einer Kommission 38 weitere ausgewählt, zu wenig Frankfurter, wie es hieß), vor allem aber um das Grundstück in Sachsenhausen, in Nachbarschaft von Richard Meiers Kunstgewerbemuseum. Park und Bäume wurden verteidigt, in der Ausschreibung daher bereits gefordert, den Baumbestand zu schonen. Kuehn Malvezzi nun haben das Museum unterirdisch angelegt, es lediglich mit einem miesianischen Eingangspavillon aus Glas im Park sichtbar gemacht. Eine dreigeschossige Eingangshalle, ein Lichthof, zwei- und eingeschossige Räume versprechen ein abwechslungsreiches Inneres. Ergänzt wird der Komplex noch durch ein viergeschossiges, zurückhaltendes und sich städtebaulich präzise einfügendes Gebäude für die Museumspädagogik. Die Entscheidung der Jury ist konsequent. Wenn schon unterirdisch, dann richtig. Kein Gebäude, das den Eindruck erweckt, das eigentliche Museum zu sein. Man darf natürlich auch anderer Meinung sein – kritisiert wird nun, dass sich die Architektur unsichtbar mache. Aber ein wenig Besonnenheit angesichts des Kontextes ist angebracht. Es ist verständlich, dass man keinen Widerstand wie in Darmstadt beim Wettbewerb für das Museum Sander provozieren wollte. Es wird in Frankfurt nicht zu wenig gebaut, dass man sich endlich wieder nach einem guten neuen Stück Architektur im Stadtraum sehnen müsste – vielmehr sollte darauf geachtet werden, dass nicht nur bei Museen besondere Architektur entstehen kann. Vielleicht zeigt der Wettbewerb auch, dass zu viel nach Fassaden geschaut, zu wenig nach räumlichen Qualitäten gefragt wird, die auch unterirdisch durchaus möglich sind – und der Siegerentwurf bietet sie an. Auch das ist sichtbare Architektur, die Räume sind schließlich öffentlich. Vielleicht fehlt dem Siegerentwurf nur ein wenig das Geheimnisvolle, das zum Unterirdischen gehört. Vielleicht hat das zweitplatzierte Büro Bruno Fioretti Marquez, Berlin, eine poetischere Form gefunden, die Spannung zwischen unter- und oberirdischen Elementen zu verarbeiten; ihr Entwurf hat dafür andere Schwächen. Vielleicht hätte man Entwurf von Christ und Gantenbein, Basel, eine Chance geben können – sie haben sich Vorstellungen klassischen Museumsbaus verweigert und ein Gebäude vorgeschlagen, das eher an Baumhäuser der Tropen erinnert. Vielleicht haben Christ und Gantenbein diesen Entwurf aber auch einfach zur falschen Zeit eingereicht. Auch das gehört zur Architektur: Dass sie Konflikte und Auseinandersetzung jenseits der Architektur reflektiert und sichtbar macht. Es wird bald auch wieder die Museen geben, von denen es dann heißt, hier habe sich ein Architekt oder ein Bürgermeister ein Denkmal gesetzt. Dann wird man das kritisieren. So ist das eben. ch

Ein transparenter Pavillon als Eingang zur unterirdischen Welt des Museums der Weltkulturen. Oberirdische Repräsentanz und unterirdisches Museum sind sehr klassisch. (Bild: Kuehn Malvezzi, Berlin) 

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