25. Mai 2011
Das Rokokotheater im Schloss Schwetzingen (Bild: Monika Rittershaus) 

Was hat eine Opernrezension in einem Architekturmagazin zu suchen? Nun, sie verbindet meine beiden Berufe miteinander. Zum einen natürlich die Architektur, zum anderen meine Arbeit als Kostümberaterin für Spezialeffekte. So kam ich zum Theater Basel und zur Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner Rainer Sellmaier. Als ich das Bühnenbild für die Oper "Telemaco" von Christoph Willibald Ritter von Gluck sah, war ich erst wenig beeindruckt. Ein einfaches Zimmer im Stil der fünfziger Jahre, gemusterte Tapete, Heizkörper an den Wänden, auf denen Frauen saßen und strickten. Im Hintergrund ein Fenster, rechts eine Doppelflügeltür mit Lamellen, an der Decke Lampen und Ventilatoren. Doch dann der Szenenwechsel: vom Zimmer in Europa zum Dschungel auf einer weit entfernten Insel. Die Rückwand teilt sich beim Fenster, die Fensterbrüstung versinkt im Boden, die Gardine fällt ab, durch die Wände brechen Pflanzen, die Lamellen der Tür öffnen sich und lassen seitlich Licht auf die Bühne fallen. Die Deckenlampen verlöschen, dafür drehen sich die Ventilatoren und zaubern eine südamerikanische Plantagenatmosphäre. Alle anderen Requisiten werden unwichtig. Und damit war mir plötzlich klar, dass im Theater, in der Oper, die Verwandlung oder wechselnde Nutzung von Räumen funktioniert. Das Ziel, das während meines Studiums beim Entwurf von Räumen immer im Vordergrund stand, das der Wandelbarkeit, der Anpassung an sich ändernde Bedürfnisse der Bewohner, auf der Bühne ist es gelungen.
Bei der "normalen" Architektur, beim Bewohnen von Häusern fällt mir jedoch auf, dass die Möglichkeiten, die der Architekt vielleicht mit seinem Entwurf bietet, selten genutzt werden. Wie oft wird ein Kinderzimmer zum elterlichen Arbeitszimmer, wie oft tatsächlich ein Wohnzimmer vergrößert und das Esszimmer verkleinert. Bedarf es dafür tatsächlich einer besonderen wandelbaren Architektur oder eigentlich nur einer Architektur, die solche inneren Änderungen zulässt.
In der Oper allerdings, im Rokokotheater des Schwetzinger Schlosses, war der Eindruck des sich wandelnden Bühnenbildes, ohne Drehbühne, ohne Umbaupause, bereichernd, faszinierend, erfrischend anders. pb

Wer die Gelegenheit noch wahrnehmen möchte: am 26. Mai gibt es noch eine Aufführung in Schwetzingen und am 9., 11., 13., 18., 22., 24., 26. Juni am Theater Basel. Karten unter +41 61 2951133.

Szene aus Telemaco (Bild: Monika Rittershaus) 

Andere Artikel in dieser Kategorie