So kommen wir nicht weiter

Christian Holl
16. März 2011
Hat man auch daran gedacht, wie diese Dämmpakete auch wieder entsorgt oder recycelt werden können? (Bild: Christian Holl) 

Leider notiert man sich nicht immer das, was sich später so schön zitieren ließe. Leider weiß ich weder, wer es gesagt hatte, noch den genauen Wortlaut, sinngemäß hieß es, dass Jubiläen und runde Geburtstage etwas für fantasielose Journalisten seien. Na gut, auch der begabteste Journalist hat mal einen schlechten Tag und ist dankbar für ein Jubiläum oder einen runden Geburtstag. Ähnlich ist es wohl mit der Frage nach guter Architektur und quantitativen Werten. Architektur eignet sich einfach nicht besonders gut für Personality-Shows. Und Zahlen sagen wenig über gute Architektur aus. Eigentlich gar nichts. Und doch ist etwa die Frage, um wieviel Prozent der Energieverbrauch eines Hauses gesenkt werden kann, zum Thema hitziger Architekturdebatten geworden. Es scheint, als hätte die Architekturdiskussion eine ganze Reihe schlechter Tage hinter sich. Ein Schelm, wer dabei nicht an die Posse um E10 denkt – das angeblich umweltfreundlichere Benzin wurde ja doch nur deswegen eingeführt, damit man sich bei den deutschen Autobauern nicht so sehr die Köpfe über benzinsparende Motoren zerbrechen muss. Von der Ökobilanz beim Erzeugen des neuen Sprits ganz zu schweigen. Es ist eben doch alles ein wenig komplexer. Wie sieht es denn tatsächlich aus mit den Ökobilanzen der Dämmungen, auf die nun alle schimpfen – wie werden sie hergestellt, wie können sie entsorgt werden? Auch mit diesen Zahlen, so sie vorlägen, wäre noch nichts über die Qualität der Architektur ausgesagt, aber mit ihnen könnte aufschlussreicher darüber diskutiert werden, was Architektur eigentlich zu leisten habe und wie sie dies leisten könnte. Das bedarf guter Argumente, einer Architektenschaft und Medien, die sich dem stellen – einiges ist beispielsweise im aktuellen baumeister zu finden. Wenn da nicht der Kommentar des neuen Chefredakteurs wäre. Der suggeriert, dass scheinbar beliebige Zahlen als quantitative Werte eines konkreten Sachverhalts inhaltliche Qualität bekommen. Gerade deswegen halten sie Wesentliches fern. Es spielt doch keine Rolle, wie weit in Metern die Regierungszentrale Ägyptens vom Tahirplatz entfernt ist. Auch wer je geglaubt hat, dass die Proteste gegen Stuttgart 21 allein vom Anstieg der Kosten des Projekts motiviert seien, konnte dessen Beweggründe nie einordnen. Es geht auch hier darum, wie wir Technologie verstehen und welche Rolle sie spielen soll. Die erschütternden Berichte aus Japan zeigen, dass die Frage erneut und dringend diskutiert werde muss. Ach ja: Das Unglück von Tschernobyl wird im April übrigens vor 25 Jahren gewesen sein. ch

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