Reisen mit Häusern und Texten

Christian Holl
11. Juli 2012

Zum Sommer empfehlen wir eine imaginäre Reise, geleitet von Harald Bodenschatz und einem Team von Autoren, die durch den vom faschistischen Regime unter Mussolini geplanten und verwirklichten Städtebau führen. Der Diktator war sich nicht nur der Wirkungsmächtigkeit symbolischer Aktionen, sondern auch des Städtebaus als politischem Instrument bewusst. Rom war daher selbstverständlich der Schwerpunkt der Machtinszenierungen. Bei Dom Publishers erschien der über 500 Seiten starke Prachtband Städtebau für Mussolini, der nicht nur des umfangreichen Bildmaterials als solcher bezeichnet werden kann. Die Texte lassen sich gut lesen, werten ausgewogen und sind gründlich recherchiert – eine Aufarbeitung einer prägenden Epoche des italienischen Städtebaus, wie sie bislang nicht zur Verfügung stand. Entstehungsbedingungen werden reflektiert, Debatten und Planungsprozesse nachgezeichnet. Wohnungsbau, um Mittelschichten in der Stadt zu halten, Verdrängung von Armen werden dabei ebenso als politisches Programm nachvollziehbar wie Neustadtgründungen und die rigorose Inszenierung des Regimes als Kolonialmacht etwa in Tripolis, Asamara und Adis Abeba. Unter dem Primat des Politischen wurde ein Pragmatismus der Architektursprache entwickelt, der sich der monumentalen Inszenierung, des Gartenstadtvokabulars ebenso wie dem des internationalen Stils zu bedienen wusste. Das Primat des Politischen ging allerdings einher mit dem Primat des Städtebaus über die Architektur – hier zeigen die Autoren, dass eine isolierte Betrachtung der Architektur jener Zeit ihr nicht gerecht wird. Dies ist einer der vielen Gründe, sich das Buch zuzulegen.

Leichter mit auf Reisen nehmen lassen sich Zeitungen und Zeitschriften – nach 2006 und 2008 erscheint 2012 zum dritten Mal ff., ein elegant gemachtes Zeitungsformat, dieses Mal zum Thema Erinnerung. In Gegenständen, in Städten und Entwürfen, in Bildern, Filmen und Kunstwerken wird Erinnerung archiviert, wird mit ihnen erst möglich, wird durch sie geprägt, bestimmt und strukturiert. Die Texte sind bemerkenswert dicht, in einer angenehmen Folge von wissenschaftlicher Tiefe und essayistischer Leichtigkeit: 40 Seiten A3 à 60g/m2, die in jede Tasche passen und das Unterwegssein bereichern.

Der fabelhaften Architektur widmet sich die neuste Ausgabe von "der architekt". Es geht darin, so das Editorial, um "Bauwerke, die gesprächig sind und sich darin auszeichnen, dass sie uns etwas Besonderes mitteilen wollen"; um Autoren und Bücher, die Bemerkenswertes über die Architektur zu berichten wissen, und darum, wie sich erzählende und erzählte Architektur gegenseitig inspirieren. Das Heft ist entsprechend eine Aufforderung in dreierlei Hinsicht: aufmerksam zu lesen, genau hinzuschauen und zu reisen, anstatt ankommen zu wollen; letzteres ist dabei aber ja eigentlich schon in den anderen Aufforderungen enthalten – werden sie berücksichtigt, wird der Wunsch nach der Reise nie gestillt, die Reise selbst nie zu Ende gehen. Wie schön.

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