Rastplätze für die Seele

Simone Hübener
13. Oktober 2010
 

So bezeichnet der Oberkirchenrat Hans-Peter Hübner in seiner Einführung zum Buch Evangelischer Kirchenbau in Bayern seit 1945 Kirchenräume im Allgemeinen. Und das sind sie wahrlich – und nicht erst seit einigen Jahren, seitdem immer mehr Menschen, egal ob gläubig oder nicht, Kirchen als Orte der Stille zu schätzen gelernt haben. Dass in dieser Publikation jedoch die Sakralräume als Versammlungsort evangelischer Christen im Vordergrund stehen, ist bereits daran zu erkennen, dass der Landeskirchenrat der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern den Auftrag zu diesem Buch erteilt hat. Auch in den insgesamt acht einleitenden Aufsätzen richten die Autoren den Blick verstärkt auf den Glauben, wobei die Architektur keinesfalls zu kurz kommt. Der zweite Abschnitt, in dem 57 realisierte Beispiele auf jeweils zwei oder vier Seiten gezeigt werden, rückt die Architektur schließlich in den Fokus. Schlichte, gut lesbare Grundrisse, Fotos von Innen und von Außen sowie relativ kurze, teils kritische, teils leider von den Architekten selbst verfasste Texte helfen dem Leser dabei, sich ein Bild der Kirche oder des Gemeindezentrums mit integriertem Sakralraum zu machen. Da die Aufsätze allerdings immer im unteren Drittel der Seite angeordnet sind, wirkt das Layout zu monoton. Der Anhang hätte – gemessen an der Arbeit, die dafür aufgebracht worden ist – einen positiveren Namen verdient. Denn neben einer Auflistung aller evangelischen Kirchen und Gemeindezentren mit Sakralräumen, die in Bayern seit 1945 erbaut worden sind, enthält er unter anderem auch ein kurzes, aber wichtiges Glossar.
Anlässlich des sechzigsten Geburtstags Jürg Steiners ist das Buch Himmel und Erde erschienen, das mit 192 Vertikalpanoramen des Szenografen und Architekten aufwartet. Überwältigend sind die Eindrücke, die Steiners Bilder dem Betrachter vermitteln. Vom Kirchenboden bis zur Decke reicht das Abgebildete, das dank moderner Technik nahtlos aus drei bis fünf Einzelaufnahmen zusammengefügt worden ist. Der tiefe Standpunkt der Kamera – meist lag sie auf dem Boden – verstärkt das Gefühl, im Verhältnis zu den Bauten nur ein kleiner Zwerg zu sein. Die Bandbreite der Kirchen, 59 an der Zahl, erstreckt sich dabei von reich verzierten barocken Bauten, wie der Abteikirche in Neresheim, bis hin zu schlichten, modernen Sakralräumen, wie der Bruder-Klaus-Kapelle in Wachendorf von Peter Zumthor. Gebaut wurden die Kirchen in Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien und der Schweiz. Quasi als Einführung zu jedem Gebäue findet der Leser immer auf der ersten der meist zwei bis sechs Seiten umfassenden Präsentation einer Kirche einen kurzen Text über deren Baugeschichte, zwei bis drei kleine Schwarzweiß-Aufnahmen, wie Außenansichten und Details, sowie zusammengefasst alle Bildunterschriften. Die einleitenden und nachgestellten Aufsätze, die sich beispielsweise mit der Bildform des Vertikalpanoramas, dem panoramatischen Blick oder dem Thema des Urheberrechts beschäftigen, tragen zum besseren Verständnis der Arbeit Steiners bei. Doch bevor man sich neues Wissen aneignet, lässt man am besten einfach nur die Bilder auf sich wirken. sh

 

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