Presseschau

Petra Bohnenberger
14. September 2011
Das Denkmal von Michael Arad während der Bauarbeiten (Bild: Shiny Things/ flickr.com) 

"Die Attacke vom 11. September 2001 hat die Welt verändert." Dieser Satz, so oder ähnlich formuliert, prangte in vielen Tageszeitungen als Überrschrift, als es um den 10. Jahrestag der Anschläge auf das World Trade Center New York ging. Leider bleibt bei den meisten dieser Satz als allein gültige Aussage einfach so dahingesagt, hinterfragt wird er nicht. Hat sich die Welt tatsächlich so verändert? Sicher, die Kontrollen sind enger geworden, "Sicherheitsvorgaben" wurden gemacht, Haarshampoo darf nur noch in Puppengrößen auf Flugreisen mitgenommen werden, Nagelfeilen gehören in keine Handtasche mehr. Aber das eigentliche Leben, hat sich das so grundlegend verändert?

FAZ

Auch die FAZ titelte im Feuilleton "Angriff auf Amerika. Der 11. September 2001 verändert die Welt". Doch zum Glück zeichnen die Artikel ein anderes Bild. Ausnahmsweise gibt es mal kein Widerkäuen der zeitlichen Abläufe von vor 10 Jahren, keine Analyse oder Aufrechnung der Geschehnisse. Verena Lueken schreibt einen historischen Überblick über das "Grundstück", auf dem das World Trade Center 1973 entstand, 2001 zerstört wurde und nun wieder bebaut wird, wie so oft davor in der kurzen Geschichte dieses künstlichen Geländes. Jordan Mejias berichtet von seinem Erleben in New York. Seine Erfahrung ist, dass sich das Leben im eigentlichen Sinne nicht verändert hat, die New Yorker sind in keiner Schockstarre hängen geblieben, die Abläufe – Taschenkontrollen im Lincoln Center, den Ausweis vorzeigen, bevor man den Aufzug benutzt – sind schnell zur Gewohnheit geworden und werden nicht länger als Erbe der Terroranschläge verbucht. Die große Ankündigung, nichts werde mehr so sein wie vorher, hat sich für New York glücklicherweise nicht bestätigt. "Zwischen Weltoffenheit und Toleranz, von der kreativen Unruhe über den Tatendrang der Neuankömmlinge bis zur unersättlichen Neugier auf alle nur möglichen Spielarten des Lebens haben die alten Qualitäten die Anschläge überlebt, unversehrt." (Jordan Mejias, FAZ, 9.9.2011)
Architektonisch, so das vorläufige Ergebnis der FAZ, ist die Baustelle "Ground Zero" ein Albtraum. Bautechnisch sowieso, gestalterisch ausschließlich einem angeblichen Sicherheitsbedürfnis und den knappen Geldmitteln geschuldete Architektur. Die hochfliegenden Pläne der ersten Zeit wurden Stück für Stück runtergestrichen, die Schlagzeilen sind "Bürohausroutine statt Eleganz", "Bunker ohne Glaspanele", "Ansammlung von Hindernissen" und "Keine Rede mehr von Kultur". Ein düsteres Zeugnis.

Süddeutsche Zeitung

Die Süddeutsche berichtet am 10.9.2011 unter "Die Angst köchelt auf kleiner Flamme", die Amerikaner ließen sich nicht so leicht durch neue Terrorwarnungen aus der Ruhe bringen. Bereits einen Tag später die Überschrift: "Angst essen Amerika auf", in Anlehnung an den Fassbinder-Film. Weiter heißt es: "Die Angst hat sich in die Gesellschaft hineingefressen, sie hat für Lähmung und Mutlosigkeit gesorgt." Eine Sonderserie hat die Süddeutsche gebracht, Artikel zum 10. Jahrestag. Doch neue Informationen fehlen. Natürlich erschüttert es immer wieder, von den vielen Toten zu lesen, die Erinnerungen der Überlebenden zu hören oder die Veränderungen im Leben der Helfer protokolliert zu sehen. Das bewegt. Seit 10 Jahren. Damit bedient die Süddeutsche aber lediglich ein voyeuristisches Bedürfnis der Leserschaft. Die Information darüber, was tatsächlich verändert ist, was sich in welcher Weise ausgewirkt hat, bleibt schwammig. Ein bisschen scheint es, als wären über die letzten Jahre Artikel gesammelt worden, um sie zum Jahrestag veröffentlichen zu können. Es geht um Veränderungen bei Flugreisen – alles schon bekannt, um Sicherheitskontrollen in Gebäuden, um Angst vor neuen Terroranschlägen.
Im Artikel von Jörg Häntzschel zum 9/11-Denkmal geht die undefinierte Berichterstattung leider weiter. Einmal beschreibt er die Leere und Aufgeräumtheit der beiden "Kästen" des Denkmals als angenehm, die Tiefe und die Beklemmung, die entstehen, sprechen für den Entwurf von Michael Arad. Doch gleichzeitig sind es genau die Größe und Leere, die befremdlich wirken. "Das 9/11-Memorial steht für einen grassierenden Maximalismus im Gedenkbetrieb, der für die Darstellung des Vergangenen den Maßstab von eins zu eins zum einzig zulässigen ausruft." (Gedenken am "Ground Zero", 7.9.2011)
Andere Zeitungen nehmen sich da nicht aus. Die Weltberichtet von "Erinnerung und Neuanfang" und druckt das "Protokoll des Tages, der die Welt veränderte". Die tazfragt, ob es schon Zeit ist für einen Schlussstrich sei und kommt zu dem Schluss, dass es den nicht geben darf. pb

Die Bauarbeiten an 1 WTC (Bild: Shiny Things/ flickr.com) 

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