Paul Bonatz 1877-1956

Ursula Baus
26. Januar 2011
Plakat mit dem Stuttgarter Hauptbahnhof, 1911-27 (Bild: DAM) 

Als Untertitel "Leben und Bauen zwischen Neckar und Bosporus" hätte man auch "Leben und Bauen zwischen Demokratie und Diktatur" wählen können, aber womöglich war den Kuratoren der überaus sehenswerten Ausstellung im DAM ein solcher Zusatz zu politisch. Das Deutsche Architekturmuseum, das im ersten Bauabschnitt nach Denkmalkriterien frisch und akkurat renoviert ist, präsentiert eine außerordentlich schillernde Person der deutschen Architektur des 20. Jahrhunderts: Paul Bonatz. Reiner Zufall sei es, dass es der Architekt des Stuttgarter Hauptbahnhofes ist, an dem sich in den letzten Monaten eine politische Debatte höchsten Ranges entzündet hat.
Im DAM wird mehr das Werk als das Leben eines Architekten dargestellt, der unbequem war und deswegen von Architekturgeschichtsschreibern generell "mit spitzen Fingern" angefasst wurde. Es gibt viel zu sehen: Großformatige Zeichnungen, alte und zum Vergleichen gute, neue Fotografien, eindrucksvolle Modelle und viele zeitgeschichtliche Dokumente. In der Zusammenschau wird deutlich: Bonatz passt einfach nicht in die Kategorien, in denen Baugeschichte so gern sortiert wird – vor allem passt er nicht in die praktische Dialektik traditionell – modern, konventionell – fortschrittlich. Und das macht ihn so interessant. Es straft vor allem diejenigen lügen, die "die Moderne" als lineare Fehlentwicklung denunzieren – aber auch jene, die Freunde der Tradition beharrlich als "ewig Gestrige" abqualifizieren.
Paul Bonatz, geboren im Elsass, lernte viel bei Theodor Fischer, war als Architekt rasch erfolgreich und mit 31 bereits Professor an der TH Stuttgart. Von den Reisen nach Ägypten trug er viele Eindrücke mit nach hause, die sich in seinen Entwürfen unmittelbar wiederfinden. Als es Paul Bonatz im Dritten Reich zu ungemütlich wurde (er spielte ein bisschen mit, machte aus seinen Aversionen gegen Großmannsgehabe der Nazis aber auch keinen Hehl), zog er in die Türkei. Auch dort war er als Architekt und Lehrer gut beschäftigt und kehrte 1954 endgültig nach Deutschland zurück.
Wohnbauten (zum Beispiel in Stuttgart sein eigenes oder das Haus für Ferdinand Porsche, Wohnhäuser in Köln und Beamtensiedlungen in der Türkei) sind gemütliche, sorgfältig detaillierte Satteldachhäuser mit Sprossenfenstern und Dachgauben; Verwaltungs- und andere öffentliche Bauten gerieten ihm schlicht und/ oder klassisch modern (Rathaus Kornwestheim, Kunstmuseum Basel); in den großen Maßstäben scheute er die Monumentalität nicht (Bahnhof Stuttgart, Bahnhofsentwurf mit Riesenkuppel für München). Herausragend ist, was ihm in Zusammenarbeit mit Ingenieuren wie Emil Mörsch, Karl Schaechterle oder Fritz Leonhardt gelang: Die große Dimension von Steinbrücken sind von klarer, nicht effektheischender Monumentalität; wird in Beton und Stahl gebaut, überzeugen seine Brückenentwürfe dagegen mit einer eigenartigen, atemberaubenden Eleganz.
Bonatz war ein ambitionierter Architekt, der sein Metier souverän beherrschte. Er war kein genialer, aber ein passabler Zeichner – absolut versiert und sicher in der Proportionierung von Baumassen, im Umgang mit bestimmten Baumaterialien. Das sieht man auch am Stuttgarter Hauptbahnhof, der mit dem Abriss der Seitenflügel zu einem peinlichen Rest verstümmelt wird.
Wie die allermeisten seiner Kollegen war Bonatz einfach ein Opportunist – und dazu stand er auch. Gefragt nach der Verantwortung in den Jahren des Dritten Reichs meinte er: "Wenn ihr mich fragt: Warum hast du bei dem Blödsinn mitgearbeitet? So muss ich Antwort geben. Wir Architekten wollen und müssen arbeiten." So einfach ist das, und es erklärt auch, wieso ein einziger Architekt in unterschiedlichen Stilen und Auffassungen zur Stadtplanung bauen kann. Bauen an Ethik und Moral im Sinne heroischen Handelns zu knüpfen, war Bonatz' Sache nicht – und darin unterscheidet er sich von den allermeisten Kollegen durchaus nicht. ub

Die Ausstellung wird anschließend vom 26. März bis zum 29. Mai 2011 in der Kunsthalle Tübingen zu sehen sein.

Neckar-Staustufe in Ladenburg bei Mannheim, 1927-33 (Bild: DAM) 
Paul Bonatz: Hängebrücke über den Rhein bei Köln-Rodenkirchen, 1939-41 (Bild: DAM) 

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