Opulenz und Klarheit

Christian Holl
12. Oktober 2011
Carlo Mollino: Teatro Regio, 1965 73 (Foto: Cavalli) 

Er hatte es nicht nötig, mit seiner Arbeit Geld zu verdienen. Carlo Mollino (1905 -73), Sohn eines Turiner Architekten, führte ein exzentrisches Leben und trug damit selbst einen Teil dazu bei, dass seine Architektur hinter seinem Aufsehen erregenden Dandytum verschwand. Eine umfangreiche Ausstellung im Münchener Haus der Kunst zeigt nun Design, Fotografien und eben Architektur des Exzentrikers. Als Liebhaber schöner Frauen und schneller Autos hatte er seinen eigenen Zugang zu organischen Formen: Aerodynamik und die Schönheit des menschlichen Körpers waren ihm Inspirationen, die organischen Elemente seiner Entwürfe waren weniger aus weltverbesserischem Ethos oder ökologischem Denken entwickelt. Opulenz und das collagenhafte Zusammenführen von Elementen unterschiedlicher Provenienz prägen seine Arbeiten, Bezüge auf den Surrealismus und Formen rationaler Architektur verbinden sich mit aus Freude am Überschwang komponierten Interieurs; aber auch regionale Traditionen und originelle konstruktive Erfindungen sind bei Mollino zu finden, etwa beim Casa del Sole in Cervinia (1947-55). Es entstanden so Bauten, die herkömmliche Zuordnungsbedürfnisse herausfordern, weil sie auf eine besondere und aufschlussreiche Weise die Ambivalenzen des 20. Jahrhunderts abbilden und reflektieren – darin bergen seine Arbeiten Momente überraschender Aktualität. Leider existieren nicht mehr alle von den ohnehin wenigen verwirklichten Bauten. Die Ausstellung, mit der sich Chris Dercon vom Haus der Kunst verabschiedet, wurde kuratiert von Wilfried Kühn und dem Fotografen Armin Linke, beide hatten zusammen Architektur studiert. Linke hat die wenigen verwirklichten, noch existierenden Bauten Mollinos für die Ausstellung aufgesucht und fotografiert. Entgegen der Wertschätzung seiner Möbel, Einzelstücke, die sich nicht dem Diktat der Massenproduktion stellen mussten und die Höchstpreise auf dem Kunstmarkt erzielen, ist seine Architektur wenig geschätzt, die Bauten sind teilweise in erbarmungswürdigem Zustand. Die Ausstellung rückt sie gerade in der Zusammenschau mit seinen anderen Werken gebührend ins Licht.
Das Kontrastprogramm zur geballten Opulenz Mollinos Arbeiten bietet eine im gleichen Haus seit dem 8. Oktober zu sehende Ausstellung von Arbeiten des 1923 geborenen Ellsworth Kelly – gleichzeitig die erste des neuen Direktors Okwui Enwezor. "Schwarz und Weiß" zeigt Fotografien, Zeichnungen und großformatige Gemälde – umfangreiche Erkundungen räumlicher Bildqualitäten in konzentrierter Klarheit, zwischen kraftvoller Monumentalität und eleganter Fragilität. ch

Carlo Mollino – Maniera Moderna. Bis zum 8. Januar 2012 im Haus der Kunst. Der englischsprachige Katalog ist bei Walther König erschienen und kostet in der Ausstellung 24 Euro.

Elsworth Kelly – Schwarz und Weiß. Bis zum 22. Januar 2012 im Haus der Kunst; vom 1. März bis zum 24. Juni 2012 im Museum Wiesbaden. Der Katalog ist bei Hatje Cantz erschienen und kostet in der Ausstellung 29,80 Euro.

Carlo Mollino: Lutrario Ballsaal in Turin, 1959 (Foto: Armin Linke) 
Ellsworth Kelly: Black Ripe (1955; Sammlung Harry W. und Mary Margaret Anderson; © Ellsworth Kelly) 

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