Neue Variationen des Immergleichen

Christian Holl
13. Juni 2012
Jürgen Mayer H. Architects, Metropol Parasol, Sevilla, Spanien, 2004-2011 (Bild: David Franck) 

"Im Grunde besteht alles in der Welt aus der Zusammensetzung von Elementen und somit aus Modulen", wird dem Besucher der Ausstellung "Architekturteilchen" im Museum für Angewandte Kunst in Köln in der Einführung eröffnet. Er erfährt hier viel über die Geschichte und die Perspektive des "modularen Bauens im digitalen Zeitalter", sieht eindrucksvolle Modelle und Schaustücke. Gezeigt wird, dass das modulare Bauen 2012 mehr ist, mehr sein kann als das, was in Zeiten des Bauwirtschaftsfunktionalismus, der Fortschrittseuphorie und der überzogenen Hoffnungen städtebaulicher Utopien der 1960er und 70er Jahre entwickelt und entworfen wurde, auch wenn in der Sektion "Wohnmodule", mit Metastadt und Superstrukturen die alte Hybris des allumfassenden Zugriffs auf die Vielfalt des städtischen Lebens nochmal sehr plastisch wird.

Modulares Bauen wird darüber hinaus in historischer Perspektive als Geschichte der Materialien gezeigt, in Holz, Stein, Metall, Kunststoff. Ziegelformate, Säulenordnungen, Holzbauweisen, industrielle Fertigung werden in diese Betrachtung eingeschlossen. Beim Beton wird dieser ansonsten überzeugende Ansatz etwas fragwürdig, ist der doch gerade als Baustoff nicht grundsätzlich an Module gebunden, aller industriell produzierten Fertigteile zum Trotz; in Köln wird die modulare Bindung über die Schalungstechnik eingeführt. Es wird zuviel über den einen Kamm geschoren: Dass also auch noch das Learning Center in Lausanne von SANAA ein Beispiel modularen Bauens sein soll, ist doch arg verwegen, vor allem wird der Blick auf die Qualitäten dieser Architektur verstellt, will man glauben machen, dass im Prinzip alle Bausteine der Architektur als Elemente und Module immer schon bereitlagen und mit neuen Baustoffen und Fertigungsmethoden nur verfeinert und variiert wurden.

Dass schadet dem im Untertitel formulierten Hauptanliegen. Denn diese Ausstellung will auch zeigen, welches Potenzial das Denken in Modulen dank der enorm sich erweiterten Möglichkeiten der digitalen Entwurfs- und Produktionsinstrumente bietet. realities:united aus Berlin nutzen modulare Konzepte für raffinierte Oberflächen- und Fassadengestaltungen, Arbeiten von Studenten der Kölner Kunsthochschule für Medien zeigen das künstlerische, Entwürfe für Pavillons und Open-Source-Modelle das architektonische Potenzial, das bereit liegt, wenn die Addition zugunsten komplexer dreidimensionaler Strukturen aufgegeben wird. Einen weiterreichenden Ausblick in die Zukunft wagt das Büro Hybrid Space Lab: Ihr Szenario der Stadt zeigt, wie mit Mobilitätsbausteinen, softwaregesteuerten Elementen der Handy-Nutzung und flexibel verfügbaren und variierbaren Räumen die bestehende Stadt genutzt, modifiziert und verändert werden kann. Ein überzeugender Appell, dass sich gestalterisches Denken wieder neu dem großen Maßstab zuwenden und das modulare Bauen sich nicht auf experimentelle Sonderbauten beschränken sollte.

"Architekturteilchen. Modulares Bauen im digitalen Zeitalter" im Museum für Angewandte Kunst in Köln. Bis zum 19. August.

Crystal Mesh, Singapur: Fassadengestaltung eines Gebäudes von WOHA Architecture von realities:united, studio for art and architecture aus Berlin, 2009 (Bild: realities:united, Berlin) 
Aus den Zeiten eines anderen Fortschrittsglaubens: das modular konzipiert Kunststoffhaus fg2000, entwickelt von Wolfgang Feierbach, 1968 (Bild: fg design) 

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