Mobil in der Stadt

Ursula Baus
5. Dezember 2012
Am Schlossplatz versammelt: kleine eSmarts zur Probefahrt (Bild: Wilfried Dechau) 

Stuttgart hat sein erstes Experiment mit "Shared-Space" in der Innenstadt gewagt: Die Tübinger Straße im Süden der Innenstadt müssen sich Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer umsichtig teilen. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, musste hier mühsam und aufwändig organisiert und realisiert werden.
Und ein weiteres Experiment startete am vergangenen Donnerstag (29. November 2012). Wo die Wiege des Automobils stand, haben sich die Nachfahren von Mercedes ihrer Herkunft erinnert und bringen ihr Angebot Car2go – in 15 anderen Städten bereits eingeführt – endlich auch nach Stuttgart, nun ausschließlich mit Elektrosmarts. 29 Cent kostet die Fahrt pro Minute, Parken kostet in der Stadt nichts, und "parkt" der Smart nur für den Ausleihenden, kostet er 0,09 Cent. Das System ist komfortabel, sobald hinreichend genug Autos und Stromtankstellen zur Verfügung stehen – in Stuttgart sind es 300 Autos und 19 Stromtankstellen. Praktisch ist, dass man das Auto an keinen Sammelplatz zurückbringen muss und viele Reservierungsmöglichkeiten hat. Die Kooperation von Daimler, Land und Stadt und EnBW gewährleistet, dass die Stuttgarter Car2go-Flotte nur mit Strom aus erneuerbaren Energien fährt.
Der grüne Ministerpräsident Kretschmann, der grüner werdende Daimler-Chef Zetsche und Noch-OB Schuster saßen mit EnBW-Chef Mastiaux einträchtig beieinander: Schließlich eint die Herkunft aus dem Erfinderland des Automobils alle Beteiligten in der Pflicht, die mobile Zukunft ein zweites Mal, aber nun umweltschonend erfinden zu müssen. Autokonzerne mutieren mehr und mehr zu Mobilitätskonzernen mit neuen Fahrzeugen und Dienstleistungskonzepten. Wir alle, bewegungslustige Gäste auf Erden, sind allerdings genauso gefordert: Wenn die Luft in den Städten sauberer und unerträglicher Lärm reduziert werden sollen, um ein akzeptables Wohnumfeld zu schaffen, müssen sich zumindest die Stadtbewohner von ihren Blechkarossen trennen, die als CO2-Schleudern herumfahren oder nutz-, weil bewegungslos im öffentlichen Raum herumstehen.

Bild: Wilfried Dechau

Es geht um nicht weniger als um eine technische Revolution, die unsere Städte nach einem halben Jahrhundert der Autogerechtigkeit mit neuen Mobilitätskonzepten wieder bewohnergerecht macht – ohne die Menschen zu verteufeln, die von da nach da wollen oder müssen. So wichtig allerdings der Vorstoß mit Car2go ist, so schnell muss aus dem Alleingang eine Kooperation werden – mit Flinkster, Stadtmobil und anderen Carsharing-Anbietern im Verbunde sollte der Umstieg auf innerstädtische Elektromobilität ein Leichtes sein.
In der Praxis werden sich noch Stärken und Schwächen des neuen Systems herausstellen. Aber wichtig wird auch sein, die Dimension der Veränderung zu begreifen und mit interdisziplinärem Engagement zu begleiten. Wie soll die Stadt das Equipement neuer Mobilitätssysteme verkraften, wie kann sie diese zu ihrem eigenem Vorteil nutzen?

Grüner Ministerpräsident, Daimler-Chef, schwarzer Oberbürgermeister: Sie müssen gemeinsame Sache machen (Bild: Wilfried Dechau) 

Düsseldorf kommt gerade mit einem anderen Thema in die Schlagzeilen, weil es seiner Bevölkerung auf einer sage und schreibe 8-seitigen Anleitung erklärt, wie man sich als Fußgänger zu verhalten hat. Hintergrund: Die Düsseldorfer haben für viel Geld den Aufwand getrieben, zwischen das rote und grüne Ampelmännchen noch einen gelben Balken zu setzen. De facto heißt das: Fußgänger, gib acht, das Auto bekommt noch mehr Rechte! Gelb bedeutet: Nix wie weg von der Straße. Oder, man fasst es kaum: "Die Ampel zeigt noch Grün. Ältere und Gehbehinderte sollten lieber warten". Damit sanktioniert Düsseldorf die egomanische Aggressivität (vieler) deutscher Autofahrer, für die Rücksicht oder gar Zuvorkommenheit Fremdwörter sind.

Grüner Ministerpräsident, Daimler-Chef, schwarzer Oberbürgermeister: Sie müssen gemeinsame Sache machen (Bild: Wilfried Dechau) 
Aus dem Fußgängerfaltblatt Düsseldorfs 

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