Metropolis – Utopie, Neuer Mensch, Stadt

Simone Hübener
6. Oktober 2010
Foto: Simone Hübener

Unter diesem Motto startete das Schauspiel Stuttgart vergangene Woche in die neue Spielzeit, die für alle Beteiligten eine besondere werden wird. Denn das Schauspielhaus, im oberen Schlossgarten gelegen, wird bis zum Herbst kommenden Jahres generalsaniert. Der Betrieb geht allerdings im Kammertheater und an zwei Interimsspielstätten weiter. Die erste, eine ehemalige Mercedes-Benz-Niederlassung in der Türlenstraße unweit des Hauptbahnhofs, wurde am 19. September offiziell eröffnet. "Inspiriert von dem vielschichtigen Filmkunstwerk Metropolis, [möchten wir] in der Saison 2010/2011 Inszenierungen und Projekte für Sie auf den Weg bringen, die sich mit modernen Lebensentwürfen und zukunftsfähigen Visionen beschäftigen. Dafür werden wir ein breites literarisches Spektrum öffnen, das von expressionistischen Autoren des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart reicht“, so beschreibt der Intendant Hasko Weber die Wahl des Titelthemas.
Eingeweiht wird die Spielstätte in der Türlenstraße mit dem Stück "Der Bau“ von Heiner Müller, der sich dafür Erik Neutschs Roman "Die Spur der Steine“ als Vorlage genommen hat. Im Mittelpunkt steht der Bau eines Chemiewerks, dabei soll eine neue Form des industriellen Bauens erprobt werden. Doch es herrscht Anarchie: Baumaterial wird von einer anderen Baustelle gestohlen, der Bautrupp widersetzt sich den Anweisungen, führt eigenmächtig das Dreischichtsystem ein.
Der Stuttgarter Aufführungsort, eine riesige, ehemalige Industriehalle, ist für diese Aufführung prädestiniert, das Bühnenbild von Hannes Hartmann nimmt deren Charakter bewusst auf, Weber, der Regie führt, lässt die Schauspieler den ganzen Raum in Beschlag nehmen. So fährt zu Beginn einer schwarzer, stinkender Wolga auf die Bühne, Zementsäcke und Schubkarren wirbeln durch die Luft, der Klang der Stimmen füllt die Leere. Seitenhiebe auf Stuttgart 21, die nur schwer zu überhören sind, sorgen für Heiterkeit beim Publikum. "Was einmal beschlossen ist, muss auch gebaut werden.“ Im zweiten Teil des Stücks, das gut zweieinhalb Stunden dauert, verwandeln sich die Dialoge zunehmend in Monologe, die lange, oftmals zu lange sind. Doch am Ende wird jeder wohl mit ganz unterschiedlichen Gedanken seinen Platz verlassen, je nach dem, wann und wo er geboren worden ist. sh

Informationen zum Spielplan der Saison 2010/2011 und den weiteren Stücken finden Sie hier.

 
Foto: Matthias Dreher

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