Mehr als Architekturkritik

Ursula Baus
25. April 2012
Roman Hollenstein, Redakteur der NZZ (Bild: BDA) 

Alle drei Jahre vergibt der BDA seit 1963 seinen Preis für Architekturkritik – es geht dem BDA dabei um dieses Metier in seiner breiten Öffentlichkeitswirkung, weniger im Fachdiskurs. 2012 geht die Auszeichnung an Roman Hollenstein, der seit 1990 bei der NZZ in Zürich im Feuilleton für die Themen Architektur, Städtebau, Denkmalpflege und Design verantwortlich ist. In Deutschland, das muss man leider feststellen, leistet sich keine Zeitung mehr einen Redakteur mit ausschließlich diesen Zuständigkeiten. Immer öfter werden Themen  je nachdem aufgegriffen, welche Pressereisen bezahlt werden.
Die BDA-Jury verlautbarte zu ihrer jüngsten Entscheidung: "Sprachlich brillant, geistig anregend und mit unbestechlichem Urteil analysiert Roman Hollenstein das nationale und internationale Architekturgeschehen. Seine Argumentation begrenzt sich nicht auf das Vokabular der Architekturkritik, sondern spürt grundlegende gesellschaftliche Einflüsse präzise auf. So gelingt es ihm, Architektur als Kulturphänomen und gesellschaftliches Gut zu vermitteln, um dessen Qualität öffentlich gerungen werden muss. Dank seiner klugen Wertungen ist die Architekturkritik in der NZZ gegenwärtig einer der wichtigsten Impulsgeber in der deutschsprachigen Zeitungslandschaft."
Nach Dieter Bartetzko (FAZ) und Heinrich Wefing (inzwischen Die Zeit) hatte vor drei Jahren der Philosoph Peter Sloterdijk den Preis bekommen, was die Frage aufwarf, nach welchen Kriterien der BDA beziehungsweise seine Juroren wohl entscheiden – wir kommentierten.
"Roman Hollenstein, Jahrgang 1953, studierte Kunst- und Architekturgeschichte in Bern und promovierte zum Griechischen Freiheitskrieg in der Kunst des frühen 19. Jahrhunderts. Anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent der Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein in Vaduz und Wien, übernahm Lehraufträge an der Universität Bern und unterrichtete an der Schule für Gestaltung in Zürich. Als Direktionsmitglied stand Hollenstein 1987 bis 1990 der Abteilung Kunstgeschichte des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft in Zürich vor. Seit 1990 arbeitet er bei der NZZ, wo er die Kunsthandelsbeilage aufbaute." (NZZ-Präsentation)
Ein solcher Werdegang lässt ahnen, dass keine Schmalspur-Architekturkritik von ihm zu erwarten ist – und doch: Auch in der Schweiz ist es schwierig geworden, Architektur und Städtebau den gebührenden Raum in der Tagespresse zu erkämpfen. Das gelingt Roman Hollenstein hervorragend – nicht zuletzt, weil er Architektur- und Städtebauthemen sehr weit fasst und in einem gesellschaftspolitischen Zusammenhang erläutert. Die NZZ- Themenbeilagen zur Architektur waren Highlights in der internationalen Tagespresse, aber leider erscheinen sie seit einigen Jahren nicht mehr. Die NZZ könnte anlässlich des Preises für Roman Hollenstein durchaus erwägen, ein den damaligen Beilagen adäquates Format online zu lancieren.
Nun sei der Laudatio von Jörg Gleiter, der mit Michael Frielinghaus, Angelika Schnell, Andreas Hild und Antje Osterwold in der Jury saß, am 16. Juni in Mainz beim BDA-Tag nicht weiter vorgegriffen. Gratulation nach Zürich!

Beiträge von Roman Hollenstein gibt es zum Nachlesen über nextroom.

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