Karljosef Schattner (1924-2012)

Ursula Baus
18. April 2012
Karljosef Schattner (Bild: Klaus Kinold) 

Schwer verwundet war der in Sachsen-Anhalt geborene Karljosef Schattner 1945 aus dem Krieg zurück und in Ingolstadt ins Lazarett gekommen. Aufgewachsen in Gommern, studierte Schattner nach den Kriegsjahren ab 1949 in München Architektur – und dort war sein "Lehrer" Hans Döllgast, dessen Wiederaufbau der Alten Pinakothek bis heute an Faszination nichts eingebüßt hat. Zeit und Ort verdichtete Schattner in Eichstätt in einer Lebensleistung zu einem Werk, das die überschaubare Stadt weit über Bayern, Deutschland und Europa hinaus bekannt machte. Aber es war keine auf Teufel komm raus individualisierte "Handschrift", die Schattner Eichstätt zumutete, wo er 1957 bis 1991 als Diözesanbaumeister wirkte. Es überzeugt heute vielmehr die Bescheidenheit, mit der Schattner Stadt und Landschaft und Zeit zusammenbrachte – strukturell in den Baukörpern, konstruktiv im Detail, schmeichelnd im Material. Fast symmetrisch (Fachbereich Psychologie und Journalistik, Bild links, Mitte) oder fast monumental (Exerzitien- und Bildungshaus der Diözese Eichstätt im Schloss Hirschberg oder Diözesanarchiv Eichstätt, Bild links unten), fast im Beton brut (FB Geographie der Katholischen Universität Eichstätt) oder in rudimentärer Geometrie (Betonkassettendecke im Jura Museum Willibaldsburg): Schattner beherrschte die gesamte Klaviatur des Bauens.
Ein Einzeltäter war er dennoch nicht: Er wusste seinen Hausfotografen Klaus Kinold an seiner Seite, der viel mehr als ein "Abbildner" war. Ihn oder keinen. Und Schattner konnte sich in der Ausführung seiner ambitionierten Architektur auf Meister ihres Faches wie den leidenschaftlichen Stahlbauer Erhard Brandl aus dem benachbarten Eitensheim verlassen.
Karljosef Schattner hat Eichstätt in einer grandiosen Selbstverständlichkeit weitergebaut ins 20. Jahrhundert. Bis heute hat das Gros der Architektenschaft nicht begriffen, dass dies in unserem Kulturkreis die Bauaufgabe schlechthin des 21. Jahrhunderts ist; das Weiterbauen mit all seinen Anpassungszwängen an technisch und gesellschaftlich rasante Veränderungen  ist das "Neue" im Sinne des Philosophen Boris Groys – Rekonstruktion war für Schattner deswegen kein Thema. Dadurch, wie Schattner diese Aufgabe des Weiterbauens antizipierte, ist er in der Architekturgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts genau nicht zu den "Klassikern" zu zählen, sondern zur "Avantgarde": Er baute nie, ohne an die Stadt und ihre Geschichte zu denken, aber auch nie, ohne sich den Nöten der Gegenwart anzunehmen. Verweigert hat sich diese Avantgarde grundsätzlich nur einer Ökonomie als Selbstzweck. ub

Literatur in der DNB:
Hervorzuheben:
Karljosef Schattner. Ein Führer zu seinen Bauten, Architekturmuseum München, 1998
Karljosef Schattner|Klaus Kinold. Architektur. Fotografie. Basel 2004
Ulrich Weisner: Heinz Bienefeld, Gottfried Böhm, Karljosef Schattner. Bielefeld 1992
Wolfgang Pehnt: Karljosef Schattner. Stuttgart 1988

Bild: Klaus Kinold
Bild: Klaus Kinold

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