Ingenieurbau

Ursula Baus
18. Juli 2012
 

Womit soll man anfangen? Die gute Meldung zuletzt? Ja, beginnen wollen wir mit dezenter Kritik. Bauingenieure gehören generell nicht zu jenen, die ihr Handeln der Kritik ausgesetzt sehen wie Architekten oder Schriftsteller – immer wieder und eloquent beklagt dies Klaus Stiglat. Bauingenieure kümmern sich generell auch nicht adäquat um die Geschichte ihres Berufsstandes. Stattdessen erinnern sie in falscher Bescheidenheit gern daran: Wer – wie sie, die Bauingenieure – Gutes tue, solle auch darüber reden. Doch der Reihe nach.

Im mittelfränkischen Pegnitztal haben 23 schöne Eisenbahnbrücken, die im späten 19. Jahrhundert als Stahlfachwerkkonstruktionen gebaut wurden, überlebt (Bilder 1 und 2, Initiative Pegnitz). Die Bahn will all diese Brücken abreißen und für rund 100 Mio. Euro neue bauen. Wieder einmal sind es Bürger, die sich mit einer Initiative effizienter als Denkmalschützer für den Erhalt dieser Kulturleistungen einsetzen und fachkundig nachweisen konnten, dass die Sanierung der Brücken nicht nur möglich, sondern auch preiswerter sein kann als Abriss und Neubau. Hanebüchen verglich ein Bahningenieur derweil Brücken mit Autos: Diese könne man ja auch nicht mit dem Spachtel reparieren (Quelle: Bayrischer Rundfunk). Und die Bauingenieure? Sie schweigen.

Die Bahn agiert auch an anderen Stellen merkwürdig: In Bamberg soll die ICE-Trasse Berlin-München mitten durch die Stadt viergleisig ausgebaut werden. ICEs und Güterzüge werden etwa ab 2017 mit 200 km/h mitten durch die Stadt sausen und einen Krach verursachen, gegen den nun abenteuerliche 6 bis 7 Meter hohe Lärmschutzwände geplant sind (Bild 3, BR). Die Bamberger Innenstadt – Weltkulturerbe! – würde zerschnitten. Alternative Vorschläge der Bürger laufen darauf hinaus, dass entweder ein technisch neuartiger Lärmschutz vorzusehen sei, der zugegebenermaßen teurer würde. Oder dass eine Bahntrasse um Bamberg herum gebaut werden solle. Es ist grotesk: Die betroffenen Bürger müssen beinahe in Planungsvorleistung treten, was selbstverständlich Aufgabe von Bauingenieuren wäre. Vor allem die Bahningenieure sind gefordert!

Gewiss darf man nicht alle Bauingenieure in einen Topf werfen – also zu den guten Nachrichten. Im baukulturell ambitionierten Ulm wurde ein Brückenwettbewerb ausgelobt, um am Kienlesberg über die Bahnanlagen hinweg eine Straßenbahnbrücke zum Eselsberg hin zu bauen. 270 Meter lang wird das Bauwerk, gewonnen haben Krebs und Kiefer (Karlsruhe) in einer Arbeitsgemeinschaft mit Knight Architects (London/Bucks, Bild 4, Stadt Ulm). Straßenbahn, Fußgänger und Radler teilen sich die Brücke, was sich in einer neuen Typologie niederschlägt.

Und noch eine gute Nachricht: Am vergangenen Samstag (14. Juli 2012) wurde der Fritz Leonhardt Preis an den Wiener Bauingenieur Alfred Pauser vergeben. Seit 1995 wird dieser weltweit bekannte Preis alle drei Jahre für das Lebenswerk eines Bauingenieurs organisiert. Preisträger waren bislang der Franzose Michel Virlogeux, der Deutsche Jörg Schlaich, der Schweizer René Walther, der Amerikaner William F. Baker – und nun ging der Preis nach Österreich. Pauser wurde 1930 geboren, gründete 1964 sein eigenes Büro und lehrte seit den späten 1970er Jahren Tragwerksplanung für Bauingenieure und Architekten. Mit Brücken wie der Rossauer Brücke über den Wiener Donaukanal oder den Ferdinand Löwe Steg bewies er (Bilder 5-7, Alfred Pauser) gestalterischen Anspruch, der für das Bauingenieurwesen leider nicht repräsentativ ist.
Bleibt anzuregen, dass die Auslober bzw. Veranstalter sich überlegen, wie sie den Festakt informativer und für junge Ingenieure, Studenten und eine breite Öffentlichkeit zu einer Attraktion machen können. Selbige wurden nicht gesichtet,  und damit ist die Veranstaltung für ein großes Problem symptomatisch: Den Bauingenieuren fehlt der Berufsnachwuchs nicht zuletzt, weil sie ihren Berufsstand in keiner nennenswerten Öffentlichkeit zur Diskussion stellen.

Letztlich noch eine gute Nachricht: Anfang Juni ist die Brückenbaupreis-Dokumentation 2012 erschienen, die gegen eine Schutzgebühr von 6 Euro hier bestellt werden kann. Im März 2013 wird der nächste Brückenpreis ausgelobt.

Pegnitz-Brücken – zum Abriss vorgesehen 
Bambergs Bahntrasse – mit 200 km/h durch ein Weltkulturerbe 
Neuer Brückentyp für Ulm 
 
 
 

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