Imagination und Reflexion

Christian Holl
13. April 2011
Echte, abbildende und abgebildete Steine: Die Arbeit von Christian-Philipp Müller, dahinter eine Diaprojektion von Ludger Gerdes mit Bildern aus dem Schlossgarten in Schwetzingen. (Bild: Christian Holl) 

Die Ausstellung Theatergarten Bestiarium hatte Rüdiger Schöttle 1986 konzipiert und Chris Dercon, zur Eröffnung 2011 im März gerade noch Direktor in Münchens Haus der Kunst (er wechselt im April an die Tate Modern) hatte sie seinerzeit produziert. Doch bis das Endergebnis 1989 stand und zum ersten Mal in New York zu sehen war, gab es heftige Auseinandersetzungen mit und unter den beteiligten Künstlern, die dafür eigens Arbeiten schufen und die Installation gemeinsam entwickelten. Trotzdem sprach Hans-Ulrich Obrist von einem Meilenstein der Ausstellungsgeschichte. Nach New York auf fünf weiteren Stationen gezeigt, war es still um den Theatergarten Bestiarium geworden. Seit 1990 ist die Installation im Besitz von Centre National des Arts Plastiques (CNAP), Paris. In Le Fresnoy wurde die Installation 2008 komplett restauriert und rekonstruiert, nun ist der Theatergarten in München im Haus der Kunst zu sehen. Auf schrägen Ebenen, mit Zucker bedeckt, sind einzelne Kunstwerke platziert, in wechselnde Lichtprojektionen getaucht, von Glenn Brancas Musik begleitet und so kombiniert, dass ein irritierendes Spiel aus Vergangenheit und Gegenwart, aus Künstlichem und Natürlichem entfaltet wird. An der Eröffnung formulierte Dercon die Hoffnung, Mäuse könnten des nachts Spuren in den Zuckerflächen hinterlassen.
Teilweise wird, wie bei Dan Grahams Theater-Modell, Architektur direkt zitiert, teilweise ist das Architektonische in ein subtiles Spiel mit den Maßstäben eingebunden, das zwischen Objekten und Gebäuden, zwischen vergrößerten und verkleinerten Abbildern von möglichen Realitäten changiert. So etwa bei den Wassertropfen von Hermann Pitz, großen an Tropfen erinnernden Objekten, die aber auch an Architekturmodelle von großen Hallen erinnern. Eine Tribüne macht den Besucher zum Zuschauer, will er sich das Ensemble aber tatsächlich anschauen, wird er zu einem Teil der Inszenierung, in der durch Spiegelungen und Projektionen auch die Grenzen zwischen Bild und Abbild, Imagination und Repräsentation verwischt werden. Die Ausstellung zeigt Arbeiten von Bernard Bazile, James Coleman, Fortuyn O’Brien, Ludger Gerdes, Dan Graham, Rodney Graham, Christian Philipp Müller, Juan Muñoz, Hermann Pitz, Rüdiger Schöttle, Alain Aéchas und Jeff Wall; und auch wenn die Autoren dieses Magazins in der Regel Rekonstruktionen skeptisch gegenüberstehen – diese in München zu besichtigen lohnt sich. Zumal sie nicht lange stehen bleiben wird: bis zum 31. Juli. ch

Wassertropfen von Hermann Pitz. (Bild: Christian Holl) 

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