Grundlagen, Einführungen

Ursula Baus
22. September 2010
 

Das 784 Seiten dicke Buch Baukultur. Spiegel gesellschaftlichen Wandels von Werner Durth und Paul Sigel, das im September 2009 in erster Auflage erschien und rasch vergriffen war, gibt es seit Mai 2010 in zweiter, leicht korrigierter Auflage (Jovis, ISBN 978-3-86859-010-4, 49,80 Euro). Endlich steht einmal nicht die ästhetische Anmutung der gebauten Umwelt im Vordergrund, sondern die Analyse der Frage, warum alles so aussieht und ist, wie es ist – für einen Zeitraum von etwa 1900 bis heute. Beispielhaft sei der Rekonstruktionsboom erwähnt, der ohne Neoliberalismus, Globalisierung und Bauwirtschaftsbanalität nicht zu erklären ist. Eine von vielen Rezensionen: Robert Kaltenbrunner in der FR.
Im Buch "Baukultur" manifestiert sich eine bestimmte Methode, Baugeschichte zu schreiben, also die Kanonisierung der bisherigen Baugeschichtsschreibung zu korrigieren. In einem Überblickswerk wie Meilensteine der Architektur. Baugeschichte nach Personen, Bauten und Epochen spiegelt sich davon leider wenig wieder. Zwar spricht die Autorin Renate Kastorff-Viehmann in einleitenden Kapiteln disziplinenübergreifende Bezüge an, an der traditionellen Sortierung des Gebauten ändert sie jedoch nichts. Auch die heute allzu üblichen "Kästchen" mit Informationen, die in den Lauftext nicht passen, bieten nichts Entsprechendes (Kröner, ISBN 978-3-520-34701-5, 26,90 Euro).
Bleibt die Frage, wer denn eigentlich die Geschichte der Architektur und des Städtebaus warum und wie geschrieben hat und schreibt. Architekten und Stadtplaner geben hier ein schwaches Bild ab, weil sie die Geschichtsschreibung ihres Metiers – von Ausnahmen abgesehen – Kunsthistorikern überlassen. Wie diese vorgehen, deutet sich in zwei weiteren Neuerscheinungen an: Paul von Naredi-Rainer gab eine Art Lexikon heraus, in dem 166 für wichtig erachtete Schriften vorgestellt und kommentiert sind. Knapp ein Viertel der Beiträge handeln dezidiert von Architektur und/ oder Städtebau, u. a. Albert Erich Brinckmanns Platz und Monument. Untersuchungen zur Geschichte und Ästhetik der Stadtbaukunst in neuerer Zeit (1908), Emil Kaufmanns Von Ledoux bis Le Corbusier. Ursprung und Entwicklung der autonomen Architektur (1933), Günter Bandmanns Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger (1951). Baugeschichtsschreibung erweist sich in dieser Zusammenstellung (keine Anthologie!) einmal mehr als höchst subjektive Angelegenheit, die beständig hinterfragt werden muss. Dass Kunsthistoriker wie Kaufmann oder Sedlmayr auch Steilvorlagen für eine fragwürdige Verurteilung der Moderne geliefert haben, verschweigen die Herausgeber von Hauptwerke der Kunstgeschichtsschreibung nicht (Kröner, ISBN 978-3-520-36401-2, 49,90 Euro).
Wen die Dominanz der Kunst- für die Architekturgeschichtsschreibung genauer interessiert, der schaue in grammatik der kunstgeschichte. Oskar Bätschmann zum 65. Geburtstag (SIK, ISBN 978-3-9809436-7-3, 39 Euro). Bätschmanns Interesse, der Kunst mit der Sprache beizukommen, wird hier in vielen Einzeluntersuchungen weitergeführt – etwas für Spezialisten und solche, die es werden wollen. ub

 
 
 

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