Grün und weiß

Simone Hübener
12. September 2012
Vor Kurzem erfuhr das Ehepaar Wriedt, dass es das weiße Dach seines Hauses nicht umdecken muss. Als Ausnahme darf es zwischen den roten Dächern bleiben. (Bild: Baufritz) 

Wir Stuttgarter können über die verschmutzte Luft unserer Stadt ein Lied singen. Das Neckartor ist Deutschlands schmutzigste Kreuzung, wie die Stuttgarter Zeitung am 15. Mai schrieb, der ganze Hick-Hack mit Umweltzone und farbigen Plaketten nützt wenig bis gar nichts. Dabei gäbe es einer neuen Studie zufolge eine schön anzuschauende und sinnvolle Alternative. Begrünte Wände können die Luftverschmutzung an stark befahrenen Straßen um bis zu 30 Prozent reduzieren, da die Pflanzen Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub aus der Luft filtern. Bislang war man von einem oder zwei Prozent ausgegangen. Bei einer Computersimulation, welche die Wissenschaftler aus Deutschland und Großbritannien im Zuge der Studie durchgeführt haben, stellte sich heraus, dass begrünte Wände Parks oder Dachgärten vorzuziehen sind. Für diese "begrünten Plakatwände" müssen nun allerdings noch die richtigen Pflanzen gesucht werden, denn sie dürfen "unter den schwierigen Bedingungen in Städten nicht absterben", so Thomas Pugh vom Karlsruher Institut für Technologie.
Auch eine weitere Idee ist so neu nicht, doch Politik und Verwaltung scheinen sich nach wie vor schwer damit zu tun. Gegen blaue, schwarze und andere dunkle Farben für Dachziegel und Dacheindeckungen hat niemand etwas einzuwenden. An Weiß scheinen sich dagegen die Geister zu scheiden. Diese Erfahrung machte zumindest ein Ehepaar in der Gemeinde Babenhausen im Unterallgäu (siehe hier und hier). Statt für rote – wie es der Bebauungsplan vorsieht – entschieden sie sich beim Bau ihres Hauses spontan für weiße Dachziegel. Ihnen war bewusst, dass helle Flächen im Vergleich zu dunklen mehr einfallendes Licht zurück ins All reflektieren. Dieses Licht wird dann nicht in Wärme umgewandelt, so dass die Flächen selbst und auch die Umgebung kühler bleiben. Die NASA stellte fest, dass der Temperaturunterschied bis zu 25 °C betragen kann. Mit dem Wissen um diesen ökologischen Aspekt wurde das Babenhausener Dach zuerst für ein Jahr genehmigt, vor Kurzem gaben der Bürgermeister und das Landratsamt dann nach langem Hin und Her ihre endgültige Zustimmung; allerdings mit der Bemerkung, dass dieses weiße Dach eine Ausnahme bleiben werde. Schade, dass innovativen Herstellern und Bauherren das Leben so oft unnötig schwer gemacht wird.

Dunkle Baustoffe absorbieren Sonnenstrahlen und heizen sich sowie die Umgebung auf; bei hellen Farben ist dieser Effekt wesentlich geringer. (Bild: Monier Braas) 

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