Grand Paris

Ursula Baus
2. März 2011
Grand Paris: 12 Mio. Menschen bewegen sich in einer über Jahrhunderte gewachsenen Stadtlandschaft. (Bild: Ausstellung) 

Im zentralisierten Frankreich gehört es zu den Herzensangelegenheiten – also der Eitelkeit – der Präsidenten, in Paris und um Paris herum zu bauen. François Mitterand bekam angesichts seiner "Grands Projets" leuchtende Augen, und Nicolas Sarkozy machte 2009 "Grand Paris" zur Chefsache. In einer Ausstellung in Berlin werden bis zum 8. Mai nicht die Ergebnisse der internationalen Ideenwerkstatt "Grand Pari(s) de l’agglomération parisienne" (Die große Herausforderung Großraum Paris) vom April 2009 gezeigt, die sich zehn Architekturbüros ausdachten. Vielmehr widmet sich die Ausstellung der Weiterentwicklung der Konzepte seit der Initiierung eines wissenschaftlichen Beirats (Atelier International de Grand Paris) im Februar 2010. Dessen erstes Ergebnis wurde im November 2010 bereits im Pariser Palais de Tokyo vorgestellt – es ging um alles, was die lokale und territoriale Vernetzung beziehungsweise Mobilität von Paris betrifft. Über 2 Mio. Menschen leben in der Innenstadt und mehr als 12 Mio. im Großraum Paris. Wenn es darum geht, die Mobilität der Bewohner effizient und umweltverträglich zu gestalten, muss sich wahrlich etwas ändern – es ist nicht nur Eile im Handeln geboten, schon die Analyse der Probleme lässt zu wünschen übrig. Unsere Verkehrssysteme stehen durchweg kurz vor dem Kollaps. Wo alle Bewegungsformen vom Fußgänger bis zum Flugzeug neu gewichtet und vernetzt werden müssen, rückt die Verkehrsvermeidung in den Vordergrund: Wenn Menschen zum Beispiel dicht am Arbeitsplatz wohnen und sich ohne lange Wege zurückzulegen auch versorgen können, werden Wegstrecken vermieden. Das wiederum zieht städteplanerische Konsequenzen nach sich, die antizipiert werden müssen.
Sieben Ansätze sollten beim Pariser Workshop berücksichtigt werden: Regeln ändern, kompakte Metropole durchdenken, Mobilität für alle überall sichern, die Logik der Umgestaltung überlegen, den Fluss – die Seine – zurückgewinnen, an eine "grüne Stadt" denken, die Rolle der Kunst berücksichtigen. Die Ansätze der Architekten sind unterschiedlich – Rogers zum Beispiel lehnt einen neuen Masterplan ab, weil es unrealistisch sei, ihn umzusetzen; Antoine Grumbach schlägt eine Konzentration kompakter Ansiedlungen entlang der Seine über Rouen und Le Havre vor, um der Zersiedelung des Landes Einhalt zu bieten (Bilder links); Jean Nouvels Andeutungen zur Rolle der Kunst lassen ein wenig schaudern. Die Ausstellung informiert umfassend auf Tafeln und mit einem kurzen Film – allerdings ist das Foyer der Kunstbibliothek wirklich kein guter Ausstellungsraum.
Alles in allem mangelt es nicht an Ideen zur neuen Mobilität im Grand Paris. Überall wird deutlich, wie dringend die Mobilität von Menschen und Gütern, die auch in Europa horrend wächst, neu konzipiert werden muss. Mit Ideenreichtum und Pragmatismus, Zumutungen für den Einzelnen und für die Masse, aber vor allem mit einem gerüttelten Maß an Deregulierung ließe sich durchaus etwas ändern. Die Ausstellung wurde neu konzipiert und bezieht vier große Projekte ein, die als vorläufige Überbleibsel der großen "Visionen" zu werten sind und in absehbarer Zeit realisiert werden sollen. ub

Bis 8. Mai im Foyer der Kunstbibliothek Berlin, Haltestelle "Philharmonie" der Buslinie 200.
 Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 10-18 Uhr, Do 10-22 Uhr, Sa, So 11-18 Uhr

Veranstaltungen zum Thema am 3., 24. und 31. März, am 7. April und am 6. Mai; nähere Inforamtionen gibt es hier

Antoine Grumbach entwickelt den Lebensraum an der Seine bis ans Meer. (oben im Bild; Bild: Ausstellung) 
Das Mobilitätsnetz für das Modell Grumbach (Bild: Ausstellung) 

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