Gnadenlose Geschäftsgier

Wolfgang Kil
27. März 2013
 Bilder aus der Ausstellung (Copyright: Julia Schulz-Dornburg, Barcelona; www.juliaschulzdornburg.com)

„Modern Ruins, a Topography of Profit“ – das hat man selten bei Ausstellungen, dass im Titel schon die ganze Geschichte steckt. Aber schließlich glaubt man die Misere ja zu kennen, Spaniens Immobilienblase, die den Auslöser für die bis heute nicht wirklich unter Kontrolle gebrachte spanische Wirtschaftskrise bot. Und auch wer sich mit den ökonomischen Zusammenhängen hinter der gigantischen Spekulationswelle beschäftigt hat, steht am Ende bestürzt vor diesen Bildern: Mustersiedlungen verschiedenster Typologien und Preisklassen, nach Developermanier in unendliche Reihenhausschlangen gestanzt, in allen Phasen der Realisierung, vom ersten Straßenasphalt bis zur letzten Dachschindel, irgendwann angehalten. Liegen gelassen, dem Wind, dem Wetter, dem Vergessen anheimgegeben. Keine Goldgräbersiedlungen, denen die Bewohner davonliefen, sondern schlichte Totgeburten, die nie einen Nutzer sahen. Weil es gar keinen Bedarf für sie gab. Nur die Hoffnung auf Profit.
Julia Schulz-Dornburg, eine in Barcelona lebende deutsche Architektin und Fotografin, hat an die hundert solcher buchstäblich in den Sand gesetzten Ferienhaussiedlungen aufgesucht. Für sechzig von ihnen hat sie akribisch Standort, Größe, Haustypologie, Nutzflächen, Bauträger, Architekten, Zeitpunkt des Projektstopps recherchiert und die Vorhaben jeweils mit Schwarzplänen und Googlemaps dokumentiert. Vor allem aber hat sie sie fotografiert. Für die Ausstellung bei Aedeswurden 16 Orte ausgewählt, durchweg Szenerien, die den Betrachter in ein Wechselbad der Gefühle stoßen, zwischen Faszination und Beklemmung. Denn hinter den elegischen Ruinenkulissen wird die horrende Landschaftszerstörung bewusst (die im Falle des Gelingens wahrscheinlich noch gravierender wäre, wenn man an die obligatorischen Golfgreens und Badeseen in Andalusiens heißen Wüsten denkt). Und je länger man über die widersinnigen Projekte räsoniert, desto mehr möchte man an der Vernunft unserer aufgeklärten Gesellschaften zweifeln: Alle diese schließlich geplatzten Träume wurden ja nicht irgendwo im Geheimen ausgeheckt, sondern in den Wirtschaftsmagazinen ganz Europas präsentiert und beworben. Hinter jedem dieser Spekulationsobjekte stehen Bürgermeister und Gemeinderäte mit ihrer Hoffnung auf ein Stück vom großen Kuchen, stehen renditegeile Anleger von Schottland bis zum Oberrhein, und natürlich immer auch ein Architekturbüro, das sogar an solchen Ruinen wohl noch seinen Schnitt machte. Mit all diesen Beteiligten hält sich gemeinhin das Mitleid in Grenzen. Unter den Kollateralschäden dieser Geschäftsgier ächzt nun aber eine ganze Volkswirtschaft, eine ganze nachwachsende Generation sieht sich um ihre Zukunftsperspektiven betrogen.

Bilder aus der Ausstellung (Copyright: Julia Schulz-Dornburg, Barcelona; www.juliaschulzdornburg.com)
Bilder aus der Ausstellung (Copyright: Julia Schulz-Dornburg, Barcelona; www.juliaschulzdornburg.com)
Bilder aus der Ausstellung (Copyright: Julia Schulz-Dornburg, Barcelona; www.juliaschulzdornburg.com)

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