Foto follows function

Ursula Baus
6. April 2011
Große Hypostylhalle, Tempel des Amun-Re, Karnak, Ägypten, 1540-1075 v. Chr.; Fotograf: Antonio Beato, nach 1862 (Bild: Architekturmuseum der TU München) 

27 Jahre nach einer fulminanten Ausstellung über Architekturzeichnungen zeigt nun das Architekturmuseum der TU München, das auf die ältesten Bestände des Genres zurückgreifen kann, derzeit zum ersten Mal einen winzigen Teil seiner Fotosammlung. Mit rund 200.000 Aufnahmen und Glasplatten kann die Sammlung noch manche Überraschung bergen.
Die Ausstellung ist nach den Funktionen der Fotografie zusammengestellt und trägt deswegen auch den Titel "Fotografie für Architekten". Frühe Architekturfotografien ergänzten zunächst als Lehrmaterial die Vorlagen, nach denen Architekturstudenten das Entwerfen lernten. Daneben sind Architekturgeschichtskenntnisse bis heute – und man kann sagen: immer mehr – abhängig von der Art, wie Architektur und Städte und Landschaften fotografisch inszeniert und vermittelt sind.
Was nun in der TU München gesammelt wurde, zielte auf eine gewisse Vollständigkeit der Motiv- und Formenschätze. Reisefotografien ergänzten die Kenntnisse ferner Kulturkreise, sind aber in der Münchner Ausstellung kein Thema. Tauchen anfänglich kaum Menschen in den Architekturfotografien auf, ist dies nicht zuletzt den langen Zeiten geschuldet, mit denen großformatige Platten belichtet wurden. Heute sind Menschen in Architekturfotografien, wenn überhaupt, in erster Linie als Staffagefiguren präsent.
Indes sieht man, dass für Architekten die Fotografie schon rasch zum Entwurfshilfsmittel anderer Art avancierte: Friedrich von Thiersch zeichnete beispielsweise in eine Fotografie des Wiesbadener Kurhauses einen neuen, eigenen Entwurf hinein, um dessen Attraktivität zu demonstrieren.
Je näher es zur Gegenwart geht, um so größer werden die Lücken in den Münchner Museumsbeständen. Zu abhängig wurde man von den Nachlässen der Architekten und Fotografen, weswegen es eine systematische, kontinuierliche Sammlungserweiterung in München nicht geben konnte. Doch lassen die wenigen Fotografien aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart hinein keinen Zweifel daran, wie abhängig die Fotografen auch von ihren Auftraggebern, den Architekten waren und sind. Architektur nur von ihrer schönsten Seite zu zeigen, ihre Qualitäten bildlich herauszuarbeiten, ist die übliche Dienstleistung, die von Architekturfotografen erwartet wird. Das Umfeld wird meistens ausgeblendet, Schwachstellen nicht vor die Linse genommen. Meister sorgfältiger Architekturfotografie dieser Art sind in der Ausstellung durchaus vertreten: Karl-Hugo Schmölz für Bernhard Pfau, Max Baur für Albert Speer, Albert Renger-Patzsch für Schneider-Esleben (Haniel-Garage Düsseldorf von 1953, Bild links). Oder auch Klaus Kinold für Karljosef Schattner und Egon Eiermann oder Sigrid Neubert für Otto Steidle.
Die Bildsprachen zu analysieren, die von den Fotografen für die jeweiligen Bauten entwickelt werden, lohnt sich, denn die Fotografien zwingen dem Betrachter einen Blick auf, dem durchaus misstraut werden darf. Die Münchner Ausstellung liefert dafür fantastisches Anschauungsmaterial, welches man aber auch als Augenschmaus einfach genießen kann. ub

Bis 19. Juni im Architekturmuseum München
Am Sonntag, den 15. Mai, führen Winfried Nerdinger und Ulrich Pohlmann um 11 Uhr durch die Ausstellung.

Pfrimmtalviadukt, Eisenbahnbrücke, bei Marnheim, 1872-1874; Fotograf: J. F. Maurer, Landau (Bild: Architekturmuseum der TU München) 
Haniel-Garage Düsseldorf von Paul Schneider-Esleben, 1953; Fotograf: Albert Renger-Patzsch (Bild: Albert Renger-Patzsch Archiv/ Ann und Jürgen Wilde/ VG Bild-Kunst, Bonn 2011) 

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