Erneuter Abrissprotest: Rheinfelden

Ursula Baus
27. Oktober 2010
Das Kraftwerk bildet mit dem Steg ein eindrucksvolles Ensemble (Foto: Wladyslaw Sojka) 
 

Die ohnmächtige Fassungslosigkeit, bisweilen Wut angesichts absurder, so genannter "demokratischer" Entscheidungsprozesse wächst nicht nur in Stuttgart. In Rheinfelden an der deutsch-schweizerischen Grenze läuft der Countdown für eines der eindrucksvollsten, weltweit einzigartigen technischen Baudenkmäler: Das Wasserkraftwerk von 1898, das noch bis vor wenigen Jahren betrieben wurde, soll Ende Oktober abgerissen werden. Auch der imposante Fußgänger- und Radfahrersteg aus dieser Zeit über den Rhein soll spurlos verschwinden.
Ein neues Wasserkraftwerk wird 135 Meter stromabwärts – mit quer zum Fluss errichtetem Stauwehr – gebaut. Ökologische Ausgleichsflächen in der "natürlichen Flusslandschaft Gwild" sollen nun ausgerechnet nur dort zu schaffen sein, wo das alte Kraftwerk steht.

Der Denkmalschutz (RP Freiburg) sah sich nicht in der Lage, dieses europaweit älteste, erhaltene Wasserkraftwerk unter Schutz zu stellen, obwohl es – und hier sei Wikipedia zitiert – "samt seiner Technik als von großer internationaler Bedeutung für die Geschichte der Elektrizitätsnutzung und der erneuerbaren Energien (gilt). Die Anlage ist die älteste noch bestehende große Wasserkraftanlage in Europa, zugleich ist sie das erste große Niederdruck-Wasserkraftwerk der Welt. Da das erste Großwasserkraftwerk der Welt, das Adams Powerhouse No. 1 in Niagara Falls/ USA nicht mehr existiert, ist die Anlage in Rheinfelden seither das älteste noch bestehende Großwasserkraftwerk der Welt."
Der Freiburger Denkmalschutz hatte sich dezidiert für den Erhalt des Wasserkraftwerks ausgesprochen, aber er ist dem Regierungspräsidium unterstellt – und dort sitzen weisungsbefugte Entscheider, die sich immer und immer wieder mit wirtschaftskonformen Ansichten über den Denkmalschutz hinwegsetzen. Die Entmachtung des Denkmalschutzes zeigt sich hier in ihren übelsten, kulturschädigenden Konsequenzen, die von der Politik zu verantworten sind. Naturschützer haben in den letzten Jahren mit guten Gründen politischen Einfluss gewonnen – aber wenn die Politik jetzt Denkmalschutz gegen Naturschutz ausspielt, sind Bauwillige die lachenden Dritten (siehe dazu auch Ira Mazzoni in der Süddeutschen Zeitung vom 7.12.2009, leider nicht online verfügbar).

Bürger und die beiden Städte Rheinfelden (deutsche und schweizerische Seite) kämpfen dafür, dass die Zeugnisse ihrer kulturellen Existenz, ihrer geschichtlichen Identität erhalten bleiben. Engagiert ist zum Beispiel die IG Pro Steg, auf deren Website auch durchgerechnete Vorschläge für Erhalt und Nutzung des Wasserkraftwerkes als PDF heruntergeladen werden können. Ein Gespräch mit der baden-württembergischen Ministerin Tanja Gönner am 17.6.2010, die sich auch bei Stuttgart 21 nur als Vollstreckerin outet, verlief wie erwartet: Auch für Rheinfelden verfolgte sie die Basta-Politik.

Die Misere in Rheinfelden gleicht der von Stuttgart 21 in bemerkenswerter Weise. Die Politik hat in der Aufgabe, eine gute, in Varianten ausgelotete Lösung für Ausgleichsflächen und Kraftwerkserhalt zu suchen, versagt. Noch stehen Bauwerk und Steg – an frühen Widersprüchen zu den Beschlüssen des Regierungspräsidiums und an Nutzungsvorschlägen für das Kraftwerk fehlte es nicht. ub

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