Eine IBA in Heidelberg

Ursula Baus
21. September 2011
Michael Braum, Vorstand der Bundesstiftung Baukultur, plädierte für die IBA, die charismatischer Persönlichkeiten und begeisterter Bevölkerung bedürfe. (Bild: Ursula Baus) 

Deutschland – das IBA-Land! Den inflationären Gebrauch des Instrumentes IBA beargwöhnte Christian Holl hier bereits zu Beginn des Jahres. Der Verdacht, dass mit einer Internationalen Bauausstellung die alltäglichen Aufgaben der Stadtentwicklung ein bisschen außerhalb der Planungsregeln, ein bisschen tauglich für Fördergeldbettelei, ein bisschen ambitioniert in der Umsetzung erledigt werden könnten, erhärtet sich allenthalben. In Heidelberg traf man sich am vergangenen Freitag (16.9.2011) zum 4. IBA-Forum. Dort in Heidelberg, wo Mancher beim letzten Kuss sein Herz verlor (so weiß es das Liedgut, 1925 von Fred Raymond/ Friedrich Vesely vertont) – also dort in Heidelberg ist der städtebauliche Handlungsbedarf wahrhaftig groß. Kommt man mit dem Zug, wird man in einer Verkehrswüste schlimmster Sorte empfangen, auf einem Schlachtfeld der Verkehrs- und Stadtplaner. Auch am Neckar tost der Verkehr. Darüber hinaus ist in Heidelberg die Stadt- und Architekturgeschichte über Jahrhunderte nachvollziehbar, auch mit den Wohnvorstellungen der Nachkriegszeit, zum Beispiel im Neuenheimer Feld. Legendär ist Heidelberg als Universitätsstadt, und um diesen Ruf in die Zukunft zu retten, vermarktet man sich jetzt als "Stadt der Wissenschaft" und selbstverständlich auch der "exzellenten Wissenschaft". Mit einer kompetenten Stadtplanungsbehörde sollte es kein Problem sein, die Stadt von der Universitätsstadt zu einer exzellenten Wissenschaftsstadt weiter zu entwickleln – zarte Versuche werden mit der "Bahnstadt" gestartet. Doch genau hier hapert es: Wie überall sonst in der Republik sind die öffentlichen Planungsämter unterbesetzt und unterfinanziert, so dass fürs Wesentliche – wieder Mal – nach einer IBA gerufen wird. Beschworen werden dabei die Ideale der "Europäischen Stadt", die ja nichts anderes ist als ein Phantom: Das mittelalterliche Gewurstel ist genauso europäisch wie die Klarheit der Renaissance-Orte oder die Pracht der Barockstädte oder die Rigidität der Industrie- und Gründerzeitstädte oder die verkehrsgerechte Stadt der Nachkriegszeit: All das ist die "europäische Stadt". Und fast all das findet sich in Heidelberg, angereichert um die epochale Rekonstruktionsdebatte zum Heidelberger Schloss. Was soll nun eine "Stadt der Wissenschaft" sein? IBA-tauglich? Oder eine konservativ-grüne Schicki-Micki-Form der altdeutschen Universitätsstädte? Worin soll sich Heidelberg von Tübingen oder Marburg unterscheiden? In Heidelberg ist noch einiges zu tun, bis man weiß, wo und warum denn der Stadtplanungshebel IBA anzusetzen ist. Zurück zum Liedchen: "Was ist aus dir geworden, seitdem ich dich verließ? Alt Heidelberg, Du Feine, deutsches Paradies?". Im Herbst geht die Sache in den Heidelberger Gemeinderat – dann sieht man weiter. ub

Das Wohnbaufeld der Bahnstadt, Webcam-Screenshot vom 17.9.2011 
Diskussion beim 4. IBA-Forum, moderiert von Engelbert Lütke Daldrup. (Bild: Ursula Baus) 

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