Die Welt mit Augen erkennen

Ursula Baus
21. März 2012
Thomas Ruff: Interieur 4B, 1980; Nacht 51, 1992; Barcelona Pavillon, 2000|2004 (Pressebilder Haus der Kunst, Copyright VG Bild-Kunst) 

Anders als seine Lehrer Bernd und Hilla Becher legte sich der Fotograf Thomas Ruff nicht auf eine Bildsprache, ein Thema oder eine Sicht der Welt fest. Gursky, Struth, Höfer und Ruff: Mit solchen "Becher-Schülern" zog die Architekturfotografie zunächst im Schlepptau ihrer Düsseldorfer Lehrer in die Kunstszene ein, aber alle vier gingen dort sehr eigene Wege. Und der des 1958 in Zell (Schwarzwald, am Harmersbach) geborenen Thomas Ruff wird jetzt im Münchner Haus der Kunst präsentiert – opulent, nicht rein chronologisch.
Ruff fotografiert in Serien. Dazu gehören sehr bekannte, etwa 1,5 mal 2 Meter große Gesichts- und Häuserbilder, oder auch die jüngeren Serien "nudes" und "jpegs", die poppig daherkommen und erfolgreich vermarktet werden können. Schon seit 1995 bedient sich Ruff des Internets als Bilderfundus, mit Bildmotiven der japanischen Mangas und Marsbildern der Nasa – transformiert in Landschaften, als seien sie aus dem Flugzeug aufgenommen. Und schließlich hat Ruff Sternenbilder aufgekauft und Ausschnitte vergrößert. Das alles ist in München großzügig beieinander.
Doch uns interessiert ja die Architekturfotografie. Dazu gehören die kleinformatigen, 1979 bis 1983 entstandenen "Interieurs", in denen detailgenau, stillebenartig eine beklemmende Biederkeit deutscher Wohnungen fotografiert ist. Es waren Wohnungen von Freunden und Bekannten aus dem Schwarzwald, die Ruff fotografierte – in Farbe, damals fast ein Tabubruch in seinen Kreisen. Ins große Format wechselte Ruff nicht nur mit Porträts, sondern auch Häusern – auch diese Serien bekommt man in München zu sehen. In 1,80 mal 2,75 Meter großen Formaten schien er die Verfehlungen der Baukunst monumental überhöhen zu wollen. In der Serie "Nachtsicht" ist dann das ästhetische, grünweiße Erscheinungsbild jener Fotos übertragen, die wir als Nachtbilder aus den Golfkriegszeiten kennen. Solche Serien ließen den Betrachter die Welt mit nachgerade etwas bösartigen Augen sehen. Schleichend ist die Kamera inzwischen als Werkzeug des Fotografen Ruff obsolet geworden. Und auch das Thema Architektur. In München sieht man noch einmal, wie es dazu kam.

Bis 20. Mai 2012, www.hausderkunst.de, dort auch ein Gespräch mit dem Kunsthausdirektor Okwui Enwezor; öffentliche Führung am 11. April, 18:30 Uhr.

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