Corbusier

Christian Holl
10. November 2010
1961: Das UN-Hauptquartier war noch nicht heruntergekommen, es wurde errichtet in der Hoffnung auf eine friedliche Welt. (Foto: UN Photo/x) 

Das UN-Gebäude sei von Le Corbusier, es abzureißen und ein neues Gebäude zu bauen, sei billiger als es zu sanieren. Das stand kürzlich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Dass die Sanierung mindestens zwei Milliarden koste, also eine Summe, mit der die Vereinten Nationen eine Menge Flüchtlingsdörfer bauen und tonnenweise Frischwasser in Erdbebenregionen schiffen könnten. Chefarchitekt war allerdings der US-Amerikaner Wallace K. Harrison, der mit einer internationalen Gruppe von Architekten zusammenarbeitete, unter ihnen war tatsächlich Le Corbusier, aber auch Oscar Niemeyer. Insgesamt waren zehn Architekten am Bau beteiligt. Dass Le Corbusier großen, aber nicht alleinigen Anteil am Haus hat, ist dann irgendwann doch zu lesen. Nun gut. Auch ob es das "größte Wrack des Modernismus" ist, lassen wir einmal dahingestellt. Tatsächlich ist es ein Skandal, dass die Sanierung jahrzehntelang aufgeschoben wurde, weil die USA sich querstellten und dass sie sich wegen politischen Kleinkleins auch dann hinauszögerte, als der Beschluss dazu längst gefasst war. Aber es wurde begonnen, endlich. Das Haus wird energetisch saniert, Zellen- in Großraumbüros verwandelt. Solarzellen und Sicherheitsglas werden das Gebäude verändern, viele wertvolle Details werden erhalten bleiben, Drehräder aus Messing, Schriftzüge, Aschenbecher. Das Hochhaus des Sekretariats wird entkernt, anders seien die technischen Probleme nicht bewältigbar gewesen. Es ist ja nicht so, dass der Entwurf frei von Mängeln ist.

Aber nochmal zurück zu den zwei Milliarden. Der Militäretat der USA beträgt etwa 400 Milliarden Dollar, der Präsidentschaftswahlkampf 2008 soll 1,3 verschlungen haben. Das UN-Hauptquartier ist Teil des Bekenntnisses der damaligen Mitgliedstaaten, es nicht wieder zu einem Völkermorden kommen lassen zu wollen, es zu erhalten und zu sanieren ist ein Bekenntnis zum Geist und zur Aufbruchstimmung, die seinen Bau getragen hatten, es ist ein Zeichen, das verpflichtet, gerade weil es nicht von heute ist. 192 Staaten gehören der UNO an. Ob man nun ausgerechnet die jahrzehntelang aufgesparten Sanierungsgelder gegen Flüchtlingslager aufrechnen muss? An einer Stelle in diesem Bericht heißt es, "nun komme man sich vor wie in einem jugoslawischen Busterminal". Jugoslawien gibt es nicht mehr, und in einigen der Staaten, die nach den Balkankriegen entstanden sind, wächst eine Architekturszene, die frisch und mutig ist, die sich nicht vor der in Westeuropa verstecken braucht. Und schäbige Busterminals gibt es auch bei uns. Die Auseinandersetzung mit dem Ort, an dem über den Weltfrieden verhandelt wird, hat es verdient, nicht nur über Beitragszahlungen geführt zu werden, sie muss weiter geführt werden, und es ist gut, dass sie weiter geführt werden muss. Aber verdient hat sie auch ein anderes Niveau, auf dem darüber berichtet wird. ch

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