Cool and Hot

Christian Holl
27. Oktober 2010
House Palm Springs von 1947 (Foto: Julius Shulman/ J. Paul Getty Trust)

Seine Bilder gehören zur Architektur des 20. Jahrhunderts – denn er hat den Häusern durch seine Bilder ein Eigenleben verschafft, ihnen eine eigene Wirklichkeit gegeben, die Wirklichkeit des Lebensgefühls einer ganzen Epoche eingefangen. Julius Shulmans Bilder sind derzeit in einer wunderbaren Ausstellung in Mannheim zu sehen. Über 220 Bilder von den frühen Bildern aus den 1930er Jahren über den vorübergehenden Rückzug Shulmans aus der Architekturfotografie Ende der 1970er Jahre bis zum Wiedereinstieg Anfang des neuen Jahrtausends. 2009 starb Shulman, im Oktober 2010 wäre er hundert Jahre alt geworden.
In neun Abteilungen ist die Ausstellung gegliedert, sie folgen unterschiedlichen Schwerpunkten. Einige sind den Mitteln der Bildkomposition ("Grafik und ihre Konstruktion") oder kunstgeschichtlichen Topoi ("Das Fenster als Bild") gewidmet, andere wiederum stellen die Case Study Houses Serien in den Mittelpunkt, wieder andere thematisieren die Zusammenarbeit mit bestimmten Architekten (mit Albert Frey und Richard Neutra natürlich). Dabei tauchen dieselben Gebäude mitunter auch in zwei Sektionen auf – es geht hier nicht um eine Retrospektive oder eine Systematisierung der Arbeit Shulmans, sondern um eine Darstellung ihrer spezifischen Charakteristika, der besonderen Bildkonstruktion, dem Einsatz der Menschen im Bild, der Behandlung von Solitären. Diese Ordnung bekommt durch die präzise Auswahl der Bilder eine hohe Plausibilität und macht die Vielschichtigkeit der Bilder sichtbar und verständlich.
Aufschlussreiche Bildvergleiche sind möglich: Immer wieder hat Shulman dasselbe Motiv farbig und in schwarzweiß fotografiert, allerdings ohne dabei den genau gleichen Standpunkt einzunehmen oder die Komposition zu duplizieren – man mag es fast Untersuchungen nennen, wie Atmosphäre, Haus und Landschaft, Spiegelungen und Bildgrafik das eine mal in Farbstimmungen, das andere Mal in Grautönen aufgenommen werden. Präzise wird jeweils eine Atmosphäre inszeniert, verschiedene Lichtquellen eingesetzt, die den Bildern ihre flirrende Irrealität geben, in der das Charakteristische der Architektur übersteigert, fast denunziatorisch offengelegt wird.
Der aus Deutschland stammende Jürgen Nogai hat Shulmann Anfang des neuen Jahrtausends dazu gebracht, wieder zu fotografieren – als Team haben sie bis 2009, bis zum Tod von Shulman gearbeitet. Als nicht gerahmte Farbabzüge sind die Bilder dieser letzten Phase im Schaffen Shulmans sofort kenntlich gemacht – viele sind zum ersten Mal in Europa ausgestellt. In manchen dieser späten Arbeiten setzt sich Shulman mit seinem eigenen Werk auseinander, einige Gebäude fotografierte er noch einmal in einer zweiten Serie. Die Unterschiede sind subtil. Weniger Menschen sind darauf zu sehen, der Traum der Moderne ist noch spürbar, aber er bekommt nun eine leichte Melancholie. Nicht verpassen! ch

 House Palm Springs 60 Jahre später in 2007 (Foto: Julius Shulman/ Jürgen Nogai; J. Nogai)

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