Bürgerliches Engagement in Herten

Ursula Baus
13. April 2011
Hof 2 (Foto: nik | nachhaltige industriekultur herten ev.) 

Wie reich das Land Nordrhein-Westfalen an grandiosen Zeugnissen der Industriegesellschaftsgeschichte ist und welchen identifikatorischen Charme das Land daraus bezieht, weiß man allgemein. Und doch gilt es, sich auch weiter kontinuierlich und flächendeckend um das baukulturelle Erbe im "Revier" zu kümmern, was von behördlicher Seite aus finanziellen Gründen kaum noch geleistet wird. In Herten hatten die Architekten Schupp und Kremmer – von ihnen stammt auch die Zeche Zollverein in Essen – das Ensemble der Zeche Schlägel & Eisen gebaut, das infolge einer privaten Initiative im Herbst 2010 von der Oberen Denkmalbehörde in Münster unter Denkmalschutz gestellt wurde, aber jetzt abgerissen werden soll. Der Hintergrund: 1874 beginnt hier die Bergwerksgeschichte mit dem Abteufen von Schacht 1. Die Geschichte der Zeche en detail finden Sie hier, sie endete mit den späten 1980er Jahren und hinterließ einmal mehr eindrucksvolle Industriegebäude. Ein erheblicher Teil wurde bereits abgerissen, doch am Standort 3/4/7 sollen Bauten von Schlägel & Eisen erhalten und umgenutzt werden – wenn das Engagement des Initiativkreises Bergwerk Schlägel und Eisen Erfolg zeitigt. Zum Ort heißt es: "Über Schacht 3, der 1895 abgeteuft wurde, steht das in seiner Bauform einzige und zugleich älteste erhaltene dreibeinige deutsche Strebengerüst in NRW. Im zugehörenden Maschinenhaus befindet sich eine Zwillings-Dampffördermaschine von 1928. Den architektonischen Kontrast dazu bildet der 'große Weiße': das Fördergerüst von 1986 über Schacht 4 in seiner modernen Ausführung in Vollwandbauweise mit Kastenprofilen, welches aus den umliegenden Städten als Langenbochumer Landmarke zu erkennen ist. Die stadtbildprägende große Schachthalle von Schacht 7 ist unter anderem von der Feldstraße aus gut sichtbar. Sie ist mit ihren klaren, kubischen Formen der Neuen Sachlichkeit ein unbedingt erhaltenswerter Kernbestandteil der Anlage. Das Fördergerüst ist als Einstrebengerüst aus Profilträgern ausgeführt. Das Fördermaschinenhaus von Schacht 7 hingegen kann mit seinem symmetrischen Aufbau beeindrucken: das Gebäude enthält zwei gleiche, jedoch spiegelverkehrt bestückte Maschinenhallen mit komplett erhaltenem Inventar und Maschinen. Und es gibt noch viel mehr zu entdecken: Das Kraftwerk, eine Kathedrale der Industrie, die Kaue mit ihren Innenhöfen …".
nik engagiert sich für den nachhaltigen, das heißt vielfältig nutzbaren Erhalt der verbliebenen Bauten und verdient jegliche Unterstützung in der Auseinandersetzung mit der rein ökonomisch interessierten Stadt Herten und den RAG-Immobilien (das S&E-Ensemble gehört zu 51% der Stadt, zu 49% der RAG). Die IBA Emscherpark hat längst gezeigt, wie zum Beispiel über kulturelle Zwischennutzungen der Erhalt und die langfristige Weiternutzung hochwertiger Industriedenkmale in die Wege geleitet werden können. Jetzt ist die Politik in Düsseldorf einmal mehr gefragt: Sie muss Wege finden, damit in Herten nicht mit der Abrissbirne Fakten geschaffen werden.
Es ist erst wenige Monate her, dass die Politik in einem vergleichbaren Fall völlig versagt hat: Im süddeutschen Rheinfelden gelang es nicht, das einzigartige alte Wasserkraftwerk zu erhalten, weil Politiker in Tübingen  und Stuttgart Chancen des Erhalts leichtfertig, genauer gesagt: mit skandalösem Desinteresse  vergeben hatten. Bleibt zu hoffen, dass man in NRW klüger agiert und Rettungsversuchsanordnungen zulässt. ub

Schacht 7 (Foto: nik | nachhaltige industriekultur herten ev.) 
Schalterhalle (Foto: nik | nachhaltige industriekultur herten ev.) 

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