Asien in vier Büchern

Claudia Hildner
26. Oktober 2011

Seit etwa zwei Jahren erscheinen beim Berliner Verlag DOM Publishers nun auch Architekturführer – den Anfang machte ein Führer zu Berlin-Mitte, doch weitere Titel ließen nicht lange auf sich warten. Unter den Neuerscheinungen finden sich nun auch Führer zu zwei Hauptstädten in Asien, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Tokio und Pjöngjang.
Beide Publikationen widmen sich vor allem der jüngeren Architektur seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Der Architekturführer Tokio garantiert mit zahlreichen Stadtteilkarten und einer durchdachten Systematik, dass sich trotz des städtebaulichen Chaos, das in der Stadt herrscht – Autor Ulf Meyer nennt Tokio "eine wunderbare Katastrophe" – jedes Gebäude auch tatsächlich finden lässt. Während der rote Führer zur japanischen Hauptstadt einen praktischen Zweck hat und Architekturliebhabern für so manches Werk bekannter Architekten, das in Tokio nahezu unerkannt sein Dasein fristet, die Augen öffnet, ist der blaue Architekturführer Pjöngjang wohl vor allem für Menschen gedacht, die gerne in Gedanken reisen. Ein Ausflug in die nordkoreanische Hauptstadt ist zwar möglich, aber wenig attraktiv: Autor Philipp Meuser schildert, dass er bei seinen Reisen von drei Staatsbediensteten bewacht wurde, die unter anderem Bilder auf seiner Kamera löschten und ihn davon abhielten, die Dinge zu genau zu untersuchen. Der Architekturführer teilt sich – analog zu dieser Erfahrung – in zwei Teile: Bilder und Texte des ersten Bandes stammen weitgehend vom regimetreuen Verlag für fremdsprachige Literatur in Pjöngjang. Nur unter dieser Bedingung waren die Nordkoreaner mit der Publikation einverstanden. Erst der zweite Band liefert das dringend nötige Hintergrundwissen zur nordkoreanischen Architektur und Gesellschaft.
Architekturführer zeigen meist einzelne Bauwerke, die allenfalls am Rande in einen städtebaulichen Zusammenhang gebracht werden. Mit How the City moved to Mr. Sun. China’s new megacities versuchen die beiden Autoren etwas anderes: Anhand von Geschichten, die sie auf ihrer Reise durch China gesammelt haben, zeigen sie auf, wie der Boom in China von der Ostküste langsam auch auf die Provinzen im Hinterland übergreift. Die Geschichten sind jeweils einer Stadt zugeordnet – und die interessanteste von ihnen ist wahrscheinlich jene, die der Publikation letztlich auch den Namen gegeben hat. Sie beschreibt allerdings weniger, wie die Stadt zu Herrn Sun kam, sondern vielmehr, wie er darauf reagierte: Nachdem ihm die Regierung gegen seinen Willen sein Land genommen hatte, baute er mit dem Geld, das er als Entschädigung bekommen hatte, ein vierstöckiges Haus. Dieses vermietete er unter anderem an Wanderarbeiter, die nun verstärkt in die früher ländliche Gegend kommen. Davon kann Herr Sun ganz gut leben. Dass er auf sein früheres Dasein als Bauer dennoch nicht verzichten will, zeigt das begrünte Dach, wo er Feldfrüchte und Gemüse für den Eigenbedarf anbaut – und den Golfplatz betrachten kann, der auf seinen ehemaligen Ländereien entstanden ist. Mit solchen und ähnlichen Geschichten bringt das Buch dem Leser den Wandel Chinas auf einer ganz persönlichen Ebene nahe, der Städteboom im Land des Lächelns bekommt damit gleich mehrere Gesichter.
Eine weitere Seite Asiens erschließt sich mit Michaela Zeiningers Buch Architektur der Maori. Kontinuität und Wandel in der indigenen Baukunst Neuseelands. Die Architektur der Ureinwohner des Landes war bisher nur selten ein Thema von Publikationen. In diesem Buch verknüpft die Autorin religiöse, gesellschaftliche und klimatische Faktoren mit der Entwicklung der Baukunst der Maori, und zeigt auf, welche Gründe hinter bestimmten Veränderungen stecken. Das Buch hält nicht nur für Neuseeland-Reisende viele interessante Hintergrundinformationen zur Architektur und Lebensweise der Ureinwohner bereit. Claudia Hildner

Ulf Meyer: Architekturführer Tokio. DOM publishers, Berlin 2010, 272 Seiten, ISBN 978-3-938666-60-9 (deutsch), 28 Euro

Philipp Meuser (Hg.): Pjöngjang Architekturführer. Mit Beiträgen von Ahn Chang-mo und Christian Posthofen. 2 Bände im Schuber. DOM publishers, Berlin 2011, 368 Seiten, ISBN 978-3-86922-126-7, 38 Euro

Michiel Hulshof, Daan Roggeveen: How the City moved to Mr. Sun. China’s new megacities. SUN Architecture, Amsterdam 2011, 340 Seiten, ISBN 978-9-085068-78-5 (englisch), 34,50 Euro

Michaela Zeininger: Architektur der Maori. Kontinuität und Wandel in der indigenen Baukunst Neuseelands. Verlag des Instituts für vergleichende Architekturforschung, Wien 2011, 202 Seiten, ISBN 978-3-900265-23-6, A: 27,50 Euro

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