After Crisis

Ursula Baus
6. Februar 2013
SMAQ Architekten dachten über die Zukunft der Palmenstadt im Wasser vor Dubai nach (Bild: SMAQ)

Mitten in der Krise wagt schon jemand, Szenarien für die Zeit nach der Krise einzufordern. Das lockte an die Karlsruher Architekturfakultät – zu 14 Vorträgen. Eingeleitet wurde die Tagung unter anderem mit dem Hinweis, die Immobilien- und Finanzkrise sei die Folge "organisierter Verantwortungslosigkeit" (Vrachliotis). Neue Konzepte für Architektur- und Stadtentwicklung vorzustellen, wäre also tatsächlich angemessen. Aber im vollgepfropften Tagungsplan gelang dergleichen nicht immer. Der schauspielerisch und komödiantisch talentierte Bürgermeister Rykjaviks, Jón Gnarr, zeigte weder den Masterplan, noch erläuterte er die Strategien der islandischen Hauptstadt. Andres Lepik präsentierte, wie er als neuer Leiter des Münchner Architekturmuseums agiere, aber stellte nur altbekannte Projekte aus Rio, Burkina Faso und anderes vor. After Crisis?
Aus den vielen Vorträgen in den Sektionen Öffentlichkeit und Politik, Ökonomie und Wohnen, Identität und Kultur sowie Infrastruktur und Umwelt seien hier nur wenige hervorgehoben, die sich tatsächlich mit mehr oder weniger neuen, diskutierbaren Ansätzen auf das Thema einließen.

Der Harz als autarke Region: Ideen von KARO Architekten (Bild: KARO)

Zu Partizipationmodellen äußerte sich Dan Hill und unterschied in den Verfahren "matter" und "dark matter" – als Bezeichnung von allem, was der Transparenz von Entscheidungen entgegen steht. Netztechnisch kann man Verfahrenstransparenz zum Beispiel bei kickstarter.com und brickstarter.org probieren.
Sabine Müller von SMAQ stellte die Szenarien vor, die das Büro anlässlich der Rotterdamer Biennale (2009) für die "Palme" in Dubai entwickelt hatte. Die vielfältige Kritik an dem Projekt für Superreiche aus Russland, Großbritannien und dem Iran bot SMAQ Ausgangspunkte für etwas naive Entwicklungsszenarien, die immerhin das Groteske, Absurde des Ursprungsprojektes verdeutlichen.
Stefan Rettich von KARO Architekten erinnerte an das Projekt der autarken "Republic of Harz" (RoH), das im Hinblick auf Autarkie in den Bereichen Energie, Wirtschaft, Mobilität und so weiter ausgearbeitet wurde (IBA Sachsen-Anhalt, 2010). Nicht zuletzt, um Krisenanfälligkeit zu vermeiden. Fördermittel von außen spielten durchaus eine Rolle, nicht ins Gebiet passende (Produktions-)Prozesse sollten aber nach außen verlagert werden. Ganz hasenrein war die Autarkie also nicht gedacht ...

Eine Stadt auf einem Boot: Stefan Overmeyer motivierte junge Menschen (Bild: Pontonia)

Klaus Overmeyer von Urban Catalyst Studio erzählte vom Projekt Pontonia und plädierte eindringlich für eine andere Architektenausbildung. Und Muck Petzet trug mit Verve vor, dass sein Konzept für die letzte Biennale in Venedig (Reduce, Reuse, Recycle) mehr denn je befolgt werden müsse.
Der Blick in die USA, wo die Krise in Städten und Regionen eine Spur der Verwüstung hinterlassen hat, fehlte nicht. Bittner und Zinganel präsentierten ihre am Bauhaus entstandene Studie zu Levittown, und in einem ausgezeichneten Vortrag hob Charles Waldheim (Cambridge) die Rolle der Landschaftsarchitektur in Szenarien für behutsamen Stadtum- und rückbau vor. Dabei rehabilitierte er en passant die hervorragenden Ansätze der Moderne etwa im Lafayette-Park (Hilberseimer, Detroit) mit den Bauten von Mies van der Rohe.

Charles Waldheim erläuterte den Lafayette Park in Detroit, Mies van der Rohes Bauten begeistern heute wie damals (Bilder: Charles Waldheim) 

Die Veranstalter darf man fragen, ob das Briefing der Vorträger nicht besonders gut gelungen ist, dezidiert: Lag es am Briefing, dass die Überlegungen zu einer Zeit "after crisis" Bekanntes aufwärmten und nicht couragiert genug für Neues entwickelt worden sind? Oder den Vorträgern sei gesagt, dass ein Briefing bitte zu befolgen ist.
Zurück zum Anfang. Wenn die Krise zu einem erheblichen Teil von Immobilienbankern, -investoren und -maklern angezettelt worden sein sollte, müssen sie alle in die Verantwortung zurückgeholt – und an solchen Symposien auch beteiligt werden. Krise als Katharsis der Branchen, gewissermaßen.
Aber es wurde einmal mehr deutlich: Zwischen Vertretern der Architektur und Immobilienbranche liegen Welten. Im Referat von Isabel Concheiro über die schaurigen Bauruinen in Spanien bestätigte sich, dass vor allem Wohnungsbauten nicht als Spekulationsobjekte akzeptiert werden dürfen, weil Wohnen kein beliebiger "Konsum", sondern ein Grundbedürfnis ist. Und die deutsche Immobilienbranche? "Quo vadis"? fragte man Anfang Februar beim hochkarätigen Branchentreff im Berliner Adlon und meinte zum Auftakt: "2012 war ein starkes Immobilienjahr." Krise? Welche Krise? Dazu nächste Woche mehr.

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