Ablenkungsmanöver

Christian Holl
3. November 2010
Das Weißbuch Innenstadt nimmt sich angesichts geplanter Kürzungen wie der Versuch aus, mit Shampoo Fassaden zu reinigen. (Bild: Christian Holl) 

Stellen Sie sich vor, man nimmt Ihnen Ihren Pkw und gibt Ihnen dafür eine Mehrfahrtenkarte, sagen wir, mit zehn Fahrten für den ÖPNV: Wie fänden Sie das? Es kommt einem kaum anders vor, wenn nun die Nachricht verbreitet wird, dass das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung dazu aufruft, sich an einem "Weißbuch Innenstadt" zu beteiligen: Man möge doch "Anregungen, Statements, Kritik und Zustimmung" zum Entwurf, der am 20. Oktober vorgelegt wurde, einreichen. Dazu heißt es: "Mit dem Weißbuch Innenstadt möchte das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eine breite öffentliche Diskussion für die Innenstädte und Ortszentren in Deutschland anstoßen." Anstoßen. Man muss sich fragen, wie man darauf kommen kann, nach jahrelangem Hype um die "Renaissance der Stadt", nach ungezählten Preisen, Publikationen und Initiativen zur Innenstadt eine Diskussion über sie anstoßen zu wollen.

Aber das ist nicht nur peinlich. Es ist vor allem an Zynismus kaum zu überbieten. Da will der zuständige Minister Raumsauer die Städtebauförderung um 50 Prozent kürzen, das Programm "Soziale Stadt" soll auf investive Maßnahmen reduziert werden – die Möglichkeiten, Altbauquartiere zu sanieren, werden so deutlich eingeschränkt, so manches Quartiersmanagement in Problemvierteln wird schlichtweg gestrichen werden müssen. Wer eine solche Politik unterstützt und gleichzeitig auf Parteitagen mit Vorwürfen von fehlender Integrationsbereitschaft Stimmung macht, der schafft die Bedingungen für das, was er beklagt.

Wer noch nicht darauf gekommen ist, dass die Innenstadt ein Teil in einem Gefüge von Stadtteilen ist, der nur funktionieren kann, wenn das Gesamte in der Balance ist, der hat in einem Ministerium für Stadtentwicklung nichts verloren. Die "potenziellen Maßnahmen" im Weißbuch betreffen hauptsächlich die Kommunen, öffentlichen und privaten Träger, zur Verantwortung des Bundes findet sich lediglich der dürre Satz: "Die Programme der Städtebauförderung haben bereits heute einen starken Innenstadtbezug. Sie sollten künftig noch stärker auf die Innenentwicklung und langfristig tragfähige Standorte ausgerichtet werden, z. B. durch entsprechende Förderpräferenzen." Unsere Empfehlung: Schreiben Sie einfach, dass Sie auf das Weißbuch gerne verzichten würden, dafür aber die Städtebauförderung und das Programm Soziale Stadt in seiner bewährten Form erhalten wissen wollen. Schließlich ist "Ihre Meinung(...) ein wertvoller Beitrag für die Entwicklung starker und lebenswerter Zentren in Deutschland!" ch

Andere Artikel in dieser Kategorie