100 Jahre Ulmer Pauluskirche

Simone Hübener
29. September 2010
Die Ulmer Pauluskirche heute: Westfront mit Vorplatz. (Bild: Heinz Stadelmann)

Wie hat eine Kirche auszusehen? Welche Materialien sind für einen Sakralbau angemessen? Akzeptiert Gott Beton? Mit dieser letztgenannten Frage befasst sich noch bis zum 21. November eine Ausstellung im Stadthaus Ulm. Anlass ist der einhundertste Geburtstag der Ulmer Pauluskirche, die als evangelische Garnisonskirche für 2.000 Soldaten zwischen 1906 und 1910 nach den Plänen von Theodor Fischer errichtet worden war. Präsentiert werden Originalskizzen und -pläne, Modelle, Ausstattungsgegenstände und zeitgenössische Fotografien der Pauluskirche sowie Modelle, Fotografien und Erläuterungstexte von Betonkirchen aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Auf den ersten Blick wirkt die Schau, die sich in drei Teile gliedert, relativ klein und übersichtlich. Doch die verschlungenen Räumlichkeiten des Stadthauses boten den Kuratoren viele Möglichkeiten, um das umfassende Material zu präsentieren und gleichzeitig genügend Freiräume zu belassen, damit bei den Besuchern die gewonnenen Eindrücke nachwirken können.
Der erste Teil der sehenswerten Ausstellung befasst sich in Text und Bild ganz allgemein mit der Geschichte des Betonbaus und dessen Entwicklung "von einem Ersatzbaustoff zu einem Gestaltungsmaterial", wie es in einem der Texte heißt. Stimmen zeitgenössischer Baumeister vermitteln dem an Beton gewöhnten Besucher dabei einen Eindruck, wie revolutionär und umstritten das neue Material zu jener Zeit war.
Dem "Geburtstagskind" Pauluskirche ist der zweite Abschnitt gewidmet, bei dem ebenfalls zahlreiche Zitate aus der Planungs- und Bauzeit der Kirche das Geschehene lebendig werden lassen. Eine Kirchenbank, Gemälde, Einrichtungsgegenstände aus der Sakristei und erst in diesem Jahr von Boris Miklautsch aufgenommene Fotografien spannen den Bogen bis in die Gegenwart. Denn die Pauluskirche steht bis heute und wer möchte, kann das Original in der Frauenstraße 110 begutachten.
Dass Fischer mit der Wahl des Baustoffs Beton kein Exot geblieben ist, davon zeugen die für den letzten Teil der Ausstellung ausgewählten Kirchen, die alle im 20. und 21. Jahrhundert errichtet worden sind und sowohl evangelischen als auch katholischen Christen zur Feier des Gottesdienstes dienen.
Für alle, die noch ein bisschen tiefer in die Materie einsteigen oder das Gesehene und Gelesene zuhause nachwirken lassen möchten, bietet sich der Ausstellungskatalog an, der drei ausführliche Aufsätze beinhaltet und für neun Euro zu haben ist. Worauf allerdings weder Ausstellung noch Katalog eine Antwort geben (wollen), ist die eingangs gestellte Titelfrage. Denn ob Gott Beton nun akzeptiert oder nicht, das muss jeder für sich selber entscheiden. sh

Akzeptiert Gott Beton?
noch bis 21. November 2010 im Stadthaus Ulm
Münsterplatz 50
Öffnungszeiten: Mo-Sa 9 bis 18h, Do bis 20h, So + Feiertage 11 bis 18h

Theodor Fischer, der Architekt der Pauluskirche, im Jahr 1933. (Bild: Architekturmuseum der Technischen Universität München) 

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