Fußgängersteg an der Nepomukbrücke
Dünner geht's nicht
17. ottobre 2012
Schlicht und elegant: Blick vom Weiherbach auf die Nepomukbrücke.
Die Ortschaften „auf den Fildern“ südlich von Stuttgart sind wahrlich keine Schönheiten und vor allem vom Autoverkehr stark gebeutelt. In Ortszentren, deren historische Struktur sich wenigstens ansatzweise erhalten hat, finden die Verkehrsteilnehmer Auto, Fahrrad und Fußgänger kaum noch Platz für ein friedliches Nebeneinander. Darum ging es hier in Neuhausen: Die alte, zentral gelegene und schützenswerte Nepomukbrücke über den Weiherbach wird vom Autoverkehr voll beansprucht, und schon in den 1990er Jahren kam auf der einen Seite – im Rücken des Nepomuk – eine neue, nur Fußgängern und Fahrradfahrern vorbehaltene Brücke hinzu. Im Zuge einer aktuellen, ambitionierten Neugestaltung der Ortsmitte beschloss der Gemeinderat, auch auf der gegenüberliegenden Seite eine zusätzliche Brücke für Fußgänger zu bauen.
Die Anschlüsse an unterschiedliche Uferseiten sind mit individuellen entwickelten Geländerdetails gelöst.
Die Nepomukbrücke nicht tangieren, Fußgänger und Fahrradfahrer vor dem Dreck der Autos schützen und ihnen zum Weiherbach hin aber eine größtmögliche „Nähe“ bieten – das sagt sich einfacher, als es gerade in einem so kleinen Bauwerk getan ist. Bei einer Spannweite von immerhin 8 Metern und einer Breite von 2,30 Metern ist der Granitsteg gerade mal 20 cm dick ¬– besser gesagt: dünn. Das Bauteil ist so dünn geworden, weil der Granit, der übrigens aus Bayern stammt, vorgespannt wurde. Das Unternehmen Kusser aus Aicha vorm Wald ist spezialisiert für derlei Verfahren, bei denen korrosionsgeschützte Stahllitzen durch die Granittafel gezogen und entsprechend gespannt werden. Granit verfügt über eine Druckfestigkeit, die mehrfach so groß ist wie die von Beton C35/45. Wegen seiner hohen Beständigkeit gegen Witterungseinflüsse, Tausalze und Abrieb erübrigt sich ein Brückenbelag – auch dadurch wird die Brückenplatte dünner.
Massive Brüstung, Glas und Stahl fügen sich bestens zu einem Ganzen.
Hier in Neuhausen sind die makellosen Anschlüsse der Granitplatte an das Straßenniveau nicht auffällig, sondern stimmig in dezenter Abgrenzung zum Bestand ausgebildet. Besonders elegant wirkt das Geländer aus Glas, das in einer Rille auf der Granitplatte sitzt. Die Transparenz dieses Geländers bietet dem Fußgänger freien Blick aufs Wasser, die gegenüber stehende massive „Wand“ zur Straße hin schottet ab, bietet Schutz und muss nun mal sein, weil sich Fußgänger und Auto an Engpässen aus dem Weg gehen müssen. Die Selbstverständlichkeit, mit welcher der kleine Fußgängersteg der Situation angepasst ist, überzeugt von der innovativen Konstruktion bis ins formal perfekt ausgeführte Detail.
Ursula Baus
Die Brückenelemente im Detail
Schnitt und Lageplan
2012
Marktstraße
Neuhausen auf den Fildern
Bauherr
Gemeinde Neuhausen a.d.F.
Neuhausen a.d.F.
Architekt
Cheret Bozic Architekten
Stuttgart
Projektleiter
Prof. Peter Cheret
Bauleitung
Cheret Bozic Architekten
Tragwerksplanung Fundamente
IB Michael Lörz,
Neuhausen a.d.F.
Tragwerksplanung Brückenkörper
Josef Kusser GmbH&Co.KG
Aicha vorm Wald
Grundfläche
ca. 18 m²
Baukosten
90.000 Euro brutto
Fotografie
Architekten