15. de novembre 2023
Hannah Schreckenbach 1968 in Takoradi an der ghanaischen Küste. (Foto © Archiv Hannah Schreckenbach, mit freundlicher Genehmigung durch Thomas-W. Meyer)
Aufgewachsen in Magdeburg, studiert in Dresden und Karlsruhe, gearbeitet in Ghana: Hannah Schreckenbach führte als Architektin seit den 1960er-Jahren ein bewegtes Leben. Ihre Bauten sind heute noch in Ghana zu finden, ihre Lehre wirkt immer noch an den Architekturschulen des Landes nach.
1957 errangen die britischen Kronkolonien Goldküste und British-Togoland unter dem Namen Ghana die Unabhängigkeit. Die Euphorie war groß und die Einwohner hofften, dass es schnell zu besseren Lebensverhältnissen kommen würde. Dafür wurden Experten benötigt, die im Land nicht in ausreichender Anzahl vorhanden waren, da die Kolonialherren wenig in die Ausbildung der lokalen Bevölkerung investiert hatten. Deshalb kam auch die junge deutsche Architektin Hannah Schreckenbach 1960 im Alter von 28 Jahren ins Land, wo sie die folgenden 22 Jahre arbeiten sollte. Die politischen Rahmenbedingungen mit zahlreichen Militärputschen (1966, 1972, 1978, 1979) waren allerdings in dieser Periode alles andere als günstig.
Gruppenfoto beim Entwurfsseminar mit Studenten und den Ältesten 1980 in Tafiefe in der Volta Region Ghanas. (Foto © Archiv Hannah Schreckenbach, mit freundlicher Genehmigung durch Thomas-W. Meyer)
Hannah Schreckenbach wuchs in Magdeburg auf und machte Anfang der 1950er-Jahre in Dresden eine Maurerlehre. Bis 1955 studierte sie dort Architektur und floh nach dem Vordiplom in die Bundesrepublik, wo sie in Karlsruhe ihr Studium 1958 mit dem Diplom abschloss. Danach folgte ein Postgraduierten-Studium am University College London und dort ein kurzzeitiger Einsatz als Stadtplanerin. Ghanaische Kommilitonen machten sie auf den postkolonialen Aufbruch in Westafrika aufmerksam und im September 1960 kam Schreckenbach nach Accra.
Als Architektin und Planerin des Public Works Department (PWD) baute sie in Beton und Ziegel, wie es Anfang der 1960er-Jahre Standard war. Aber schon bald entdeckte sie die traditionelle Lehmbauweise in den ländlichen Regionen und dokumentierte die Dorf- und Wohnanlagen mit ihrem charakteristischen Ausdruck. Sie gab von 1975 bis 1982 ihr Wissen an der Universität an die junge Generation weiter, befasste sich mit der verschwindenden indigenen Baukunst im Norden des Landes und propagierte angepasste Technologien für das Bauen.
Mole Game Reserve Motel 1962 (Foto © Archiv Hannah Schreckenbach, mit freundlicher Genehmigung durch Thomas-W. Meyer)
Mole Game Reserve Motel 1963 (Foto © Archiv Hannah Schreckenbach, mit freundlicher Genehmigung durch Thomas-W. Meyer)
Eines der ersten Projekte von Schreckenbach, das 1961/62 realisierte Mole Motel, liegt im 1971 gegründeten Mole-Nationalpark im Nordwesten des Landes. Bis heute dient das Motel als Unterkunft für Gäste und hat die über 60 Jahre seiner Existenz recht gut überstanden. In einer linearen Anordnung hat die Architektin einen Swimmingpool mit dahinterliegendem Restaurant und eine Reihe kleiner Pavillons entworfen und vor Ort im Bau betreut. Das Restaurant hat ein charakteristisches Dach aus aneinandergereihten flach geneigten Dächern, die in einer kontrastreichen Zickzacklinie auf die Sandsteinmauern des Baukörpers gesetzt sind. Der weite Dachüberstand schützt vor Sonne und Regen. Die Pavillons sind aus demselben Material, aber mit einem Flachdach ausgestattet.
Fassade Postamt Mambrobi, Accra 1972 (Zeichnung © Archiv Hannah Schreckenbach, mit freundlicher Genehmigung durch Thomas-W. Meyer)
Postamt Mambrobi, Accra 1974 (Foto © Archiv Hannah Schreckenbach, mit freundlicher Genehmigung durch Thomas-W. Meyer)
Zwischen 1970 und 1972 war die Architektin für die Erweiterung und den Umbau des Parlamentsgebäudes in Accra zuständig. Eine erstaunliche Aufgabe, die sie in einem europäischen Land als Frau sicher nicht übertragen bekommen hätte. Den vorhandenen zweigeschossigen Kolonialbau erweitere Schreckenbach unprätentiös um einen dreigeschossigen Flügel, der alle Elemente einer an das Klima angepassten Architektur zeigt. Die Schmalseite nach Süden ist weitgehend geschlossen, während die Seitenfassade mit horizontalen und vertikalen Verschattungselementen ausgestattet ist. Heute nutzt die 1993 geschaffene Commission on Human Rights and Administrative Justice das Gebäude, das nach einem Brand gerade saniert wird.
Erweiterung des Parlaments, Accra 1971 (Foto © Archiv Hannah Schreckenbach, mit freundlicher Genehmigung durch Thomas-W. Meyer)
Erweiterung des Parlaments, Accra 1971 (Foto © Archiv Hannah Schreckenbach, mit freundlicher Genehmigung durch Thomas-W. Meyer)
Bereits als sie Anfang der 1960er-Jahre in den Nordwesten des Landes reiste, entdeckte sie die vielen ethnischen Gemeinschaften, die jeweils eigene, aber sehr charakteristische Bautraditionen hatten. Zumeist wurde zum Bau Lehm verwendet und die räumliche Anordnung um Höfe zu sogenannten Compounds arrangiert. Zudem waren die Bauten mit abstrakten Mustern verziert, die die Architektin faszinierten. Bald veröffentlichte sie einen Teil ihrer fotografischen und zeichnerischen Dokumentation.
1975 ging Schreckenbach als Senior Lecturer an die Fakultät für Architektur an der University of Science and Technology in Kumasi, wo sie sich mit angepassten Technologien befasste. Sie hielt Vorlesungen und betreute Studios mit den Studenten. Dort forschte sie weiter zu Dachkonstruktionen im Norden des Landes. Bevor sie das Land 1982 verließ, schrieb sie mit Unterstützung der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ein Lehrbuch mit dem Titel Construction Technology for a Tropical Developing Country, bei dem ihr Jackson G. K. Abankwa half, und das bis heute von den Studierenden genutzt wird.
Die Bundesrepublik verlieh ihr 1981 das Bundesverdienstkreuz für ihr Engagement in Ghana. Nach der Rückkehr arbeitete sie bis 1997 für die GTZ, wo sie vor allem beratend Projekte in Afrika betreute. 1992 war sie Gründungsmitglied des Dachverband Lehm e. V., und trug somit in Deutschland zur Rehabilitation eines alten Baustoffes bei. Hannah Schreckenbach, die in den letzten Jahren einen Blog betrieb, in dem sie ihre Erinnerungen veröffentlichte, verstarb im Alter von 91 Jahren im Juli 2023 in Magdeburg.
Hannah Schreckenbach in einem Hof bei Sirigu, Nordghana, 1974 (Foto © Archiv Hannah Schreckenbach, mit freundlicher Genehmigung durch Thomas-W. Meyer)
Häuser der Talensi bei Bolgatanga, Nordghana, 1969 (Foto © Archiv Hannah Schreckenbach, mit freundlicher Genehmigung durch Thomas-W. Meyer)
Wichtige Bauten in Ghana
1961–62, Mole Motel, im Mole-Nationalpark
1968, Nautical College of Engineering in Nungua, Accra
1970–72, Erweiterung und den Umbau des Parlamentsgebäudes in Accra
1972–75, Postamt in Mambrobi, Accra
Wichtige Publikationen
– Hannah Schreckenbach, »Ghana: Alte und neue Wohnbauformen«, in: Baumeister, 4/1966, S. 407–412.
– Hannah Schreckenbach, »Wohnzellen + Arbeitszellen = Biotektur? Volksarchitektur in Nordghana«, in: Baumeister, 2/1969, S. 169–177.
– Kojo Gyinaye Kyei, (illustriert von Hannah Schreckenbach), No Time to Die, Accra/Ghana: Catholic Press, 1975.
– Hannah Schreckenbach, with the assistance of Jackson G. K. Abankwa, Construction Technology for a Tropical Developing Country, Eschborn: GTZ, 1983.