Viel Theater ums Theater in Augsburg

Oliver Pohlisch
4. November 2016
So stellen sich die Stadtwerke das Gaswerk-Areal mitsamt Neubau in der Zukunft vor. (Bild: swa)

2001 war das Gaswerk im Stadtteil Oberhausen endgültig stillgelegt worden, nachdem es über Jahrzehnte hinweg die wichtigste Energieversorgungseinrichtung Augsburgs gewesen war. Lange blieb unklar, was mit der Immobilie, die heute als das einzige nahezu vollständig erhaltene historische Gaswerk dieser Größenordnung in Deutschland gilt, passieren soll. Jährlich hat die Eigentümerin, die Stadtwerke Augsburg (swa), rund 500.000 Euro nur in den Erhalt der Gebäude gesteckt. Dazu kam eine Altlastensanierung, die Anfang 2016 mit einer Maßnahme für rund 3,4 Millionen Euro abgeschlossen wurde.

Jetzt wollen die Stadtwerke insgesamt 23 Millionen Euro in die Hand nehmen, um das derzeit nur sporadisch genutzte Gaswerk-Areal zu einem Zentrum für Kultur und Kreativwirtschaft zu entwickeln. Dem Rathaus kommt diese Initiative gerade recht, wird so doch auch dafür gesorgt, dass das Stadttheater ab September 2018 für die Zeit der Sanierung des Stammhauses ein vorübergehendes Obdach in Oberhausen bekommt.

Nachdem bekanntgegeben worden war, dass das Theater der drittgrößten Stadt Bayerns einer grundlegenden Modernisierung bedarf, entbrannte ein heftiger Streit über die Vorgehensweise in dieser Angelegenheit. Die Grunderneuerung des denkmalgeschützten Gebäudes am Kennedyplatz wird laut Planung Kosten in Höhe von 200 Millionen Euro verursachen. Zwar will der Freistaat Bayern rund 106 Millionen Euro übernehmen, die Kommune muss aber dennoch Schulden in Höhe von bis zu 90 Millionen Euro aufnehmen – angesichts der angespannten Haushaltlage der Stadt eine riskante Belastung. Die «Initiative Kulturelle Stadtentwicklung Augsburg» (ISKA) wollte in einem Bürgerbegehren über die Sanierung abstimmen lassen – mit dem erklärten Ziel, den Regierenden die Aufnahme dieser Schulden zu untersagen.

Das Stammhaus des Stadttheaters Augsburg am Kennedyplatz. (Bild: Felix König via wikimedia commons)

Das Bürgerbegehren gegen diese Sanierung ist nun vom Tisch. Statt der erforderlichen 10.562 konnte die ISKA nur 9046 gültige Unterschriften vorlegen, wie der Stadtrat in einer Sitzung am 27. Oktober festgestellt hat. Der Stadtrat entschied zudem über die Rechtmäßigkeit des Begehrens. Bei drei Gegenstimmen folgte er mehrheitlich der Argumentation der städtischen Rechtsabteilung. Diese hatte schon die Frage «Sind Sie dafür, dass die Stadt Augsburg eine Sanierung des Theaters trotz angespannter Haushaltslage über Neuverschuldung finanziert?» bemängelt. Sie sei irreführend, lasse die Haltung der Initiatoren gegen eine Neuverschuldung nicht eindeutig erkennen, erklärte die Verwaltungsjuristin Bettina Dafler gegenüber dem Stadtrat.

Durch die geplante Neuverschuldung sei die Stadtgesellschaft womöglich «eingeschränkt zukunftsfähig», warnte die ISKA nach Bekanntwerden des Scheiterns ihrer Unterschriftenaktion. Ihrerseits hatte sie jedoch keine konkreten Vorschläge gemacht, wie die notwendige Sanierung des Stadttheaters stattdessen zu finanzieren sei. Im Kern wäre das Bürgerbegehren eine Abstimmung über den Fortbestand des Stadttheaters geworden. Offensichtlich wollten sich die Bürger Augsburgs einer solchen Entscheidung am Ende lieber nicht aussetzen.

Die Stadträte hatten laut BR-online vor ihrer Sitzung eine Studie des Augsburger Wirtschaftsfördervereins präsentiert bekommen. Demnach nimmt das Stadttheater im Vergleich mit sieben ähnlich großen Häusern in Deutschland einen Spitzenplatz ein: vielfältiges Angebot, hohe Auslastung und niedriger Zuschussbedarf. Der Theaterbetrieb biete 800 Menschen Arbeit. Seine Wertschöpfung liege bei 38 Millionen Euro.

Schlechte Kommunikation von Seiten der Stadt

Eine solche Schätzung kann man natürlich auch als reine Suggestion von Seiten der Baubranche abtun. Fakt ist jedoch, dass das bundesdeutsche Stadttheater selbst noch im digitalen Zeitalter einen signifikanten Wert als Raum künstlerischer wie auch sozialer Auseinandersetzungen innerhalb der städtischen Gesellschaft besitzt. Wie kulturelle Verarmung durch die Kommunalpolitik befeuert wird, zeigt zum Beispiel die sukzessive Demontage des Schauspiels in Wuppertal, nachdem man sich dort nicht mehr in der Lage gesehen hatte, die in die Jahre gekommene Spielstätte zu sanieren.

Laut der Augsburger Allgemeinen Zeitung haben die Theaterumbaupläne im Geburtsort von Bertolt Brecht auch für soviel Zündstoff gesorgt, weil die Stadt ihr Vorgehen in dieser Sache schlecht kommuniziert hat. Die Ansage, die Kongresshalle als Ausweichquartier für die vier Sparten des Stadttheaters nutzen zu wollen, kam zum Beispiel genauso so überraschend, wie ihre spätere Zurücknahme. Dank der jetzt herrschenden Planungssicherheit in Sachen Theatersanierung, hat das Rathaus aber jetzt den Stadtwerken die Miete für die Nutzung des Gaswerks als eine der Interimsbühnen zugesichert. Für mindestens sechs Jahre sollen Schauspiel und Tanz in Oberhausen residieren. Ein Teil des ersten Stocks des Ofenhauses wird dafür zu einem Theaterraum mit einer Kapazität von 240 Sitzplätzen ausgebaut.

Vogelperspektive auf das Gaswerk-Gelände im Augsburger Stadtteil Oberhausen (Bild: Martini171 via wikimedia commons)

Insgesamt rund 5000 Quadratmeter werden dem Theater auf dem Gaswerk-Gelände zur Verfügung stehen. Denn es ist außerdem geplant, neben dem Ofenhaus noch einen sechsstöckigen Neubau zu errichten. Hier sollen unter anderem die Werkstätten des Theaters sowie eine Probebühne untergebracht werden.

Die Stadt Augsburg schlägt mit diesem Neubau gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, denn sie kann dort auch die Kulturschaffenden aus dem Kulturpark West in der früheren Reese-Kaserne unterbringen. Deren Mitverträge laufen demnächst aus. Im Keller und in der dritten Etage sollen auf 1400 Quadratmetern Ateliers für Künstler und Übungsräume für Musiker entstehen. Darüberhinaus soll neben dem Neubau ein Parkhaus mit 370 kostenpflichtigen Stellplätzen fürs Lang- und Kurzzeitparken hochgezogen werden.

Längerfristig werden wohl weitere neue Gebäude neben dem Gaswerk entstehen – mit Arbeitsflächen für Designer, Software-Entwickler und Architekten sowie Verkaufsräume für Künstler- und Malereibedarf. Die Stadtwerke, erklärt jedenfalls ihr Geschäftsführer Alfred Müllner, wollen so jene Mittel erwirtschaften, mit denen sie imstande sein werden, die Miete für Künstler und Musiker dauerhaft niedrig halten.

Im Ofenhaus werden zudem im Erdgeschoss 850 Quadratmeter  für eine gastronomische Einrichtung reserviert. Der Bewirtungsbereich wird sich in einem 19 Meter hohen Raum befinden, der über Fußboden- und Warmluftheizung verfügt. Die Küche liegt im Raum daneben. Noch ist unklar, wer das Lokal pachten wird.

Die historische Bausubstanz des Ofenhauses soll erhalten bleiben, samt Innenwand und Stützen. Zunächst werden die tragenden Teile ertüchtigt, dann werden Restaurantküche und Bühne als Betonkonstruktion im Sinne einer «Haus-im-Haus-Lösung» in einen Teilbereich des Gebäudes hineingestellt. Außenfassade und Fenster werden saniert. Die Bühne im Ofenhaus soll nach Worten von Müllner im übrigen auch nach der Rückkehr des Stadttheaters in sein Stammhaus dauerhaft als solche nutzbar bleiben.

BDA fordert Restrukturierung des Theaterumfelds

Die Umbauten im Großen Haus am Kennedyplatz werden dagegen  voraussichtlich Ende 2017 beginnen. 2019 wird der Bau neuer Gebäude rund um das Stadttheater angestrebt, hier ist aber das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Bund Deutscher Architekten (BDA) hatte im Frühjahr eine grundlegende Restrukturierung des Umfelds gefordert, um dessen städtebauliches Potenzial besser auszuschöpfen. Er schlug einen Einbezug des lokalen Baukunstbeirats vor - und einen Architektenworkshop in Zusammenarbeit mit dem für die Planung zuständigen Büro Achatz. Dieses werde, so Baureferent Gerd Merkle gegenüber der Augsburger Allgemeinen, seine Entwürfe für das Große Haus und dessen Umgebung noch bis zum Ende diesen Jahres vorlegen. Dann wird es wohl heißen: Vorhang auf für den nächsten Akt im Drama ums Theater.

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