Geschenkte Architektur

Manuel Pestalozzi
15. April 2024
Die Geschenke von einst prägen die Siedlungslandschaften bis heute. Oben links: Universal Hall in Skopje, Nordmazedonien (Foto: Mila Gavrilovska). Oben rechts: KNUST Universitätscampus in Kumasi, Ghana (Foto: Joe Cann). Unten links: Microdistrict III und IV in Ulaanbaatar, Mongolei (Foto: AM). Unten rechts: Bloomhouse, Emerson Collective in East Palo Alto, CA, USA (Foto: AM)

Geschenke sind ein Zeichen der Zuwendung und des Wohlwollens. Je größer sie sind, desto öfter werden sie zu einer Manifestation der materiellen Diskrepanz zwischen den Schenkenden und den Beschenkten, desto mehr nimmt man sie auch als Zeugnis von Reichtum und Macht wahr. Architekturgeschenke fallen eigentlich immer in die Größenkategorie XL. Mancherorts dienen sie der Bildung und der Philanthropie: Spitäler, Bibliotheken, Museen oder Schulen tragen nicht selten den Namen der Gönner*innen, welche die Projekte initiierten und finanzierten. Auch in der internationalen Politik haben Architekturgeschenke eine lange Tradition. Humanitäre Organisationen spenden Notunterkünfte, landwirtschaftliche Betriebe werden durch Entwicklungshilfegelder gefördert, islamische Stiftungen finanzieren Moscheen, Stadien werden im Rahmen von diplomatischen Almosenoffensiven übergeben. Darum geht es in der Ausstellung »THE GIFT. GROSSZÜGIGKEIT UND GEWALT IN DER ARCHITEKTUR«, die im Architekturmuseum in München zu sehen ist.

Gemeinsam mit der University of Michigan in Ann Arbor, USA, hat das Museum eine Präsentation erarbeitet, die zeigt, wie geschenkte Gebäude die ungleichen Beziehungen zwischen Gebendem und Empfangendem zum Ausdruck bringen. Manchmal sind sie eine Wohltat, gelegentlich lösen sie Widerstand und Gewalt aus. Die Ausstellung dokumentiert, wie das Geben und Empfangen von Architektur die Produktion dieser Gebäude beeinflusst, wie Programm, Design, Materialität und auch die Arbeitsverhältnisse am Bau davon betroffen sind. Sie berücksichtigt den wirtschaftlichen Gewinn und politischen Einfluss der Spender*innen, untersucht, ob architektonische Schenkungen Gegenleistungen einfordern und welche Gestalt ein »Gegengeschenk« annehmen kann. 

In Zusammenarbeit mit lokalen Forscher*innen und Gemeinschaften entstanden Fallstudien aus vier Kontinenten, die Geschichten über diese Dynamik des Schenkens erzählen. Dazu gehören Berichte von humanitären Geschenken für Skopje, Nordmazedonien, das Schenken von Boden in Kumasi, Ghana, diplomatische Geschenke für Ulaanbaatar, Mongolei, sowie philanthropische Geschenke in East Palo Alto, Kalifornien, USA. Das Ende der Ausstellung ist Deutschland gewidmet. Es zeigt, wie Philanthropie München und andere deutsche Städte heute noch prägt. Zu sehen ist die Schau bis zum 8. September 2024.

Architekturgeschenke kurz nach der Übergabe in Archivaufnahmen. Oben links: Universal Hall in Skopje, Nordmazedonien, 1964. Oben rechts: KNUST University Campus in Kumasi, Ghana, 1957. Unten links: Microdistrict III und IV in Ulaanbaatar, Mongolei, 1986. Unten rechts: Highway 101 in East Palo Alto, CA, USA, 1937. (Bilder: AM)

Andere Artikel in dieser Kategorie