Gemeinschaftlich gelebter Schulcampus

h4a
26. Juli 2023
Zentrale Eingangshalle (Visualisierung: h4a)
Die Stadt Kerpen plant den Neubau eines Gymnasiums mit Sporthallen sowie Sport- und Freianlagen. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Die einmalige Chance, den Neubau der Europaschule auf einem freien Baufeld neu zu etablieren, wird aufgegriffen, und Schule und Sportanlagen in eine neu geschaffene Parklandschaft eingebettet. Sie präsentieren sich als ganzheitliches Schulensemble, inspirierend einladend und offen zum angrenzenden Stadt- und Landschaftsraum. Es entsteht ein neuer Ort für Kerpen mit einer offenen, kraftvollen und zugleich großzügigen Ausstrahlung und hoher Identität. Die enge Vernetzung zwischen Baukörpern und Freiraum führt zu einer Einheit mit hoher Strahlkraft für Kerpen und der gesamten Region. Die freie und offene Architektur integriert die Dimensionen des Projekts in leichter und zugleich kraftvoller Weise. 

Blick auf das Europagymnasium in Kerpen (Visualisierung: h4a)
Worin liegt die Besonderheit Ihres Vorschlags?

Als Gegenentwurf zu einer gerasterten, durchrationalisierten Schulwelt bietet der Entwurf mit seiner besonderen räumlichen Struktur eine Lernatmosphäre, die nicht die gewohnten Schultypologien bemüht. Nicht räumlich isolierte Schulhäuser, sondern der gemeinschaftlich gelebte Schulcampus, der sich mit dem angrenzenden Landschaftsraum verwebt, steht im Mittelpunktes des Entwurfsansatzes. 

Nicht das Trennende, sondern das gemeinsame Schulleben und das gemeinsame Lernen ist zentraler Entwurfsansatz für die Organisation des Schulhauses, ohne die Belange der unterschiedlichen Anforderungen der Jahrgangsstufen innerhalb der Schule zu vernachlässigen. Den Auftakt auf den Campus bildet der große Schulhof, über den die Schüler zum zentralen Eingangshalle geführt werden. Vier Schulcluster, die sich auf die übergeordneten Wegeverbindungen ausrichten, bilden in Ihrer Schnittmenge die zentrale Eingangshalle. Damit ist ein einfaches und übersichtliches Organisationsprinzip für den zentralen Schulbaukörper gegeben, das darüber hinaus der Größe der Schule entgegenwirkt und überschaubare Orte und Identitäten innerhalb der Schule zu bilden vermag. Rational in der Einfachheit der einzelnen Cluster, lebendig und Identitätsstiftend in der gemeinsamen Fügung. 

Eingangshalle und die große tribünenförmige Treppe in die Obergeschosse mit Blick über den Schulhof dienen als zentraler Treffpunkt im Haus und bieten Raum für Austausch unter Schülern und Lehrenden. Mensa, Aula, Bibliothek und Cafeteria, die zur Eingangshalle geöffnet werden können, stärken das Zentrum der Schule. Bei Veranstaltungen können Aula, Mensa und Halle zu einem Raumverbund zusammen geschlossen werden. Der entstehende großzügige Veranstaltungsbereich bietet in seinen Raumproportionen eine große Nutzungsvielfalt.  Ganztagesbereich, Schülerladen, Schülercafé und Saftbar bieten weitere, attraktive Angebote für die Schüler.

Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: h4a)
Schnitt (Zeichnung: h4a)
Wie organisieren Sie das Europagymnasium?

Die zentrale alle Geschosse verbindende Eingangshalle ist das zentrale Ordnungselement im Schulhaus. Die großzügige tribünenförmige Treppe führt zu den Klassen der Lernlandschaften in den Obergeschossen. Über  die großzügigen, offenen Galerie sind Ebenen miteinander vernetzt und erleichtern die Orientierung im Haus.

Die Fachräume der Naturwissenschaften werden in einem Fachraumzentrum auf der Galerieebene zusammengeschlossen. Die Doppeljahrgänge 5+6, 7+8 und 9+10 bilden an den Schnittstellen der Lernhäuser zur Halle eigene, jahrgangsübergreifende Angebote wie jahrgangsspezifische Bibliotheken und Besprechungs- und Präsentationsbereiche. Für die Unterstufe bilden vorlagerte Freiklassen vor den Unterrichtsräumen und einen direkten Zugang zu dem Pausenbereich der Unterstufe ein attraktives Angebot. Die eingerückte Geschossebene auf der Dachebene ermöglicht für die Sekundarstufe II einen eigenständigen Lernbereich mit vorgelagerten Freiklassen und ein Lesegarten für die Bibliothek der Oberstufe. 

Im Mittelpunkt der räumlichen Organisation des allgemeinen Unterrichtsbereiches der Obergeschossebenen stehen dabei die um die Forumsflächen entwickelten Lernlandschaften, die in eine bandförmige Gesamtstruktur miteinander verwoben werden und sich um die Atrien mit den offenen und Differenzierungszonen gruppieren.

Durch Aufspaltung der Lernhäuser eines Jahrganges in zwei unterschiedliche, getrennt voneinander nutzbarer Einheiten entstehen für die einzelnen Jahrgänge kleine überschaubare Einheiten, die flexibel den speziellen Anforderungen der einzelnen Jahrgangstufen angepasst werden können. Dabei können die beiden Lernforen jedes Lernhauses getrennt genutzt, aber auch gemeinsam verbunden werden. 

Das Lernforum, als Mittelpunkt des Lernlandschaft, erhält in seiner zentralen Funktion, Licht über die inneren Grünhöfe. Alle Klassen sind direkt dem Lernforen zugeordnet. Ein Klassenraum über mobile Schiebewänden sich öffnender Multifunktionsraum ist zum Forum zuschaltbar und erweitert die Aktionsfläche des Forums. Differenzierungsklassen und Lehrerstationen am Zugang zu den Lernhäusern ergänzen das schulische Angebot in der Lernlandschaft. Die Lernlandschaft geht über eine klassische Clusterstruktur hinaus und verbindet die Jahrgangsstufen mit offenen Bereichen für die Differenzierung. 

Grüne Atrien und Lerninseln und Ausblicke in die grüne Mitte gliedern die Flurzonen und  bieten Raum für großzügig gestaltete Spiel- und Lernzonen mit hoher Aufenthaltsqualität. Ein hochwertiges attraktives, förderndes Lernumfeld mit Lern-, Lebens-, Bewegungs-, und Entfaltungsraum für die Schüler wird geschaffen für ein zeitgerechtes innovatives, interaktives Lernen.

Lageplan (Zeichnung: h4a)
Welche Bedeutung kommt den Freianlagen zu?

Das Europagymnasium wird in eine neu geschaffene Parklandschaft eingebettet. Der Mittelpunkt des Campus wird von den Schulhöfen gebildet, zwischen den Schulbaukörper im Westen und dem Sporthallencluster. Hier ist der zentrale Treffpunkt auf dem Campus. Ein über den gesamten Schulpark gespanntes Wegenetz erschließt den Campus und vernetzt das neue Europagymnasium mit den umgebenden Strukturen der Stadt und des Landschaftsraums. Es entsteht ein neuer Ort in Kerpen mit einer offenen, kraftvollen und zugleich großzügigen Ausstrahlung. Schulbaukörper, Sporthallen und Sportpark bilden eine harmonische Einheit schaffen einen ganzheitlichen, offenen und für alle einladenden neuen Ort. Die enge Vernetzung zwischen Baukörpern und Freiraum führt zu einer Einheit mit hoher Strahlkraft für Kerpen und der gesamten Region. Die freie und offene Gestaltungssprache integriert die Dimensionen des Projekts in leichter und zugleich kraftvoller Weise in den Ort.

Eine zentrale Verbindung führt aus den südlich gelegenen Stadtquartieren über den zentralen Campus, zu den neuen nördlich verorteten Stellplätzen. Eingelegte Grüne Inseln gliedern den zentralen Schulhof und schaffen eine Parklandschaft die den östlich gelegenen Sportpark mit dem Schulensemble zu einer Einheit verbindet. Die Grünflächen sind als artenreiche vielfältige robuste Gräser- und Staudenflächen angelegt. Die extensiven Wiesenflächen werden mit autochthonem Saatgut angesät und unterstützen die hochwertige Biodiversität des Grünkonzepts.

Baumpflanzungen werden als Mischpflanzungen aus klimaresistenten Baumarten gepflanzt, dabei werden schnellwachsende Bauarten aus Pioniergehölzen gemischt mit langsamer wachsenden, um eine möglichst baldige raumbildende Gehölzstruktur aufzubauen, die zugleich eine nachhaltige, langfristige Substanz entwickelt. 

Für die befestigten Beläge ist die Verwendung von wasserdurchlässigem Klimapflaster vorgesehen, was die Nachhaltigkeit des Gesamtkonzepts unterstützt. Eine öffentliche Durchquerung nördlich der Baukörper in Ostwestrichtung ist für alle Nutzer freizugänglich. Ebenso die südlich verorteten Freizeitsportanlagen, wie Skateanlage, Streetball, Kletterfels und weitere, die von den Bewohnern und Besuchern des Stadtquartiers offen genutzt werden kann. Unterstufe, Mittel- und Oberstufe erhalten durch die Gestaltung der Freianlagen eigene, von einander getrennte Pausenflächen. 

Insgesamt entsteht mit dem Schulpark des Europagymnasiums ein Freiraum mit hoher Strahlkraft für eine langfristige nachhaltige und wertschöpfende Entwicklung Kerpens. Die Identität und Lebensqualität der Stadt wird nachhaltig gestärkt und begleitet Kerpen in seiner zukünftigen Entwicklung als beispielhafte Stadt auf Basis der Tradition der Stadt.

Ansicht Süd (Zeichnung: h4a)
Ansicht Nord (Zeichnung: h4a)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Auf dem Weg zur Klimaneutralität unserer Städte kommt dem Holzbau eine herausragende Rolle zu. Mit der dem Entwurf zugrundeliegenden modularen Holzkonstruktion werden die ökologischen Zielsetzungen der Auslobung umgesetzt. Darüber hinaus kennzeichnen zahlreiche, ergänzende Vorschläge zur Nachhaltigkeit, zum energieoptimierten Bauen und gesunden Raumklima den Entwurf. Die vier Schulcluster werden als drei beziehungsweise viergeschossiger Holz-Skelett-Bau mit Holz-Hybriddecken als modulare Holzkonstruktion konzipiert. Dies ist in der dargestellten Dimension der Konstruktion berücksichtigt. Das gesamte Gebäude ist über ein Raster von 1,50 m strukturiert. Dieses Raster ist für einen Holzbau sehr gut geeignet und lässt sich gut elementieren und vorfertigen. Darüber hinaus prägt der Holzbau das architektonische Bild der Fassaden und des Innenraums.

Modell (Foto: h4a)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Wir sind zur Zeit noch im VGV-Verfahren. Wir hoffen, dass Ende des Monats unser Büro mit der Planung des Neubaus des Europagymnasiums beauftragt wird. Nach den bisherigen Vorstellungen sollen nach Sommerpause die Planungen starten. Nach einer zweijährigen Planungszeit und einer dreijährigen Bauzeit könnte mit dem Schuljahr 2028/29 der Schulbetrieb im neuen Schulgebäude starten.

Neubau Europagymnasium in Kerpen
Nicht offener Wettbewerb
 
Auslobung: Kolpingstadt Kerpen
Betreuung: BMP Baumanagement GmbH, Köln
 
Jury
Prof. Dipl.-Ing. Jörg Aldinger (Vors.) | Dipl.-Ing. Martin Bez | Dipl.-Ing. Dirk Christiansen | Prof. Dipl. Ing. Dörte Gatermann | Dipl.-Ing. Markus Illgas | Dipl.-Ing. Christian Jürgensmann | Dipl.-Ing. M.Eng. Barbara Pampe | Prof. Dipl.-Ing. Eva-Maria Pape | M.A. Landschaftsarchitekt René Rheims | Prof. Mikala Holme Samsoe | Prof. Amandus Samsoe Sattler | Dipl.-Ing. Susanne Wartzeck | Prof. Dipl.-Ing. Bauassessor Rolf Egon Westerheide | Fernanda Barbato, Amt 19 Gebäudemanagement | Gregor Bültmann, Amt 19 Gebäudemanagement | Brigitte Fischenich, Amt 22.1 Sport, Bäder, Kultur | Wendel Hennen, Schulleitung EGK | Silke Keune, Amt 22.2 Schulen | Jörg Mackeprang, Amt 16 Planen, Verkehr, Umwelt | Dominik Riediger, Stellv. Schulleitung EGK | Markus Schmidt, Amt 40.4 Baubetriebshof & Grünflächen | Dieter Spürck, Bürgermeister Stadt Kerpen | Lutz Venatier, Sportbeauftragter EGK
 
1. Preis
h4a Gessert + Randecker Architekten, Stuttgart
Glück Landschaftsarchitektur, Stuttgart
 
3. Preis
Hausmann Architekten GmbH, Aachen
3 plus Freiraumplaner Kloeters + Kastner PartGmbB, Aachen
 
3. Preis
v-architekten gmbh, Köln
RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, Bonn

Andere Artikel in dieser Kategorie