Altes bewahren, Neues schaffen

Raum und Bau
11. Oktober 2023
Außenansicht (Foto: Robert Gommlich)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Das bestehende Gebäude geht auf einen Ursprungsbau aus dem Jahr 1860 zurück, der seither etliche Umbauten, Erweiterungen und Umnutzungen erfahren hat. Eröffnet als Gasthof und wenig später um einen Konzert- und Ballsaal erweitert, wurde 1900 das Haus zum Hotel aufgestockt. Wenig später konnten im Ballsaal auch Filmvorführungen stattfinden, bis schließlich der Saal zum Kino umgebaut wurde. Die letzte Nutzung vor dem Leerstand war eine Diskobar. Den Geist und den Charakter des Hauses hieß es mit dem Umbau fortleben zu lassen und die neue Funktion als Bibliothek möglichst selbstverständlich zu integrieren.

Außenansicht (Foto: Robert Gommlich)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Wie von der Denkmalpflege gefordert, wurde ein Großteil der Straßenfassade in seiner Struktur erhalten. Das Erdgeschoss erhält durch den Bossenputz und die Wiederherstellung der historischen Öffnungen eine klarere Gliederung und bildet damit einen deutlichen Sockelbereich aus, der sich an der umliegenden Bebauung orientiert. Das bestehende Mansarddach, das sich nicht erhalten ließ, wurde zurückgebaut und durch ein neues Dach ersetzt, das dem Gebäude eine moderne und vor allem identitätsstiftende Ausstrahlung verleiht. 

Die Form soll an die historische Anmutung des ehemaligen Gebäudes erinnern und gleichzeitig der besonderen Nutzung und Bedeutung des Gebäudes als zukünftige Stadtbibliothek gerecht werden. Das Dach dient aber vor allem zur Belichtung des neuen Lesesaals der Bibliothek. Durch Schaffung großzügiger Fensterflächen nach Norden, wird das Licht gezielt von oben in den zentralen Saal geleitet. Die freistehende Straßenecke erhält in Anlehnung an den hier abgebrochenen Eckrisalit mit der aufgesetzten Eckverglasung eine besondere Betonung. Die neue Bibliothek hat nur wenige, aber dafür große Fensteröffnungen, die gezielte Blickbezüge schaffen. Die zusätzlichen neuen Fenster werden bewusst außerhalb der bestehenden Fassadenstruktur und geschossübergreifend platziert und zeigen damit deutlich »hier passiert etwas Neues«.

Lesesaal (Foto: Robert Gommlich)
Lesesaal (Foto: Robert Gommlich)
Lesesaal (Foto: Robert Gommlich)
Haben Sie den Auftrag über einen Wettbewerbsbeitrag oder direkt erteilt bekommen?

Es handelte sich um einen Nichtoffenen Realisierungswettbewerb nach RPW 2013 mit 15 Teilnehmern, bei dem wir den 1. Preis gewonnen haben. 

Veranstaltungsraum (Foto: Robert Gommlich)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?

Der Wettbewerb war sehr gut vorbreitet und Raumprogramm sowie Nutzungsvorstellungen deutlich formuliert. Dadurch ergaben sich keine späteren Beeinflussungen des Entwurfs, sondern es konnte zielorientiert die Bauaufgabe durchgearbeitet werden.

Lesecafé, Ausstellung Loest (Foto: Robert Gommlich)
Historisches Treppenhaus (Foto: Robert Gommlich)
Aufzug (Foto: Robert Gommlich)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Bedingt durch den Fall des Projekts in den Zeitraum der Auswirkungen von Corona und den Krieg in der Ukraine, mussten leider Zeitverzüge und Kostensteigerungen in Kauf genommen werden. Dies anzuerkennen, kostet leider noch immer Kraft und Arbeit mit dem Fördermittelgeber.

Aufzug (Foto: Robert Gommlich)
Historische Tür (Foto: Robert Gommlich)
Inwiefern haben Sie im Projekt die Verwendung von Naturbaustoffen und zirkulären Baustoffen angestrebt?

Soweit möglich, wurden vorhandene Bauelemente geborgen und nach der Aufarbeitung wieder im Haus eingebaut. Dies betrifft vor allem historische Türen, Stuckelemente, historische Zementfliesen, Bleiglasfenster etc. 

Lageplan (Zeichnung: Raum und Bau)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Raum und Bau)
Grundriss 1. Obergeschoss (Zeichnung: Raum und Bau)
Grundriss 1. Obergeschoss (Zeichnung: Raum und Bau)
Schnitt (Zeichnung: Raum und Bau)
Stadtbibliothek Mittweida
2023
Technikumplatz 1A
09648 Mittweida
 
Auftragsart
Gebäude, HOAI LP 1 bis 9
 
Bauherrschaft
Stadt Mittweida
 
Architektur
Architekturbüro Raum und Bau GmbH, Dresden
Team: PL Alexander Krippstädt, MA Christine Gebert, Sandro Neubert, Judith Engelmeier, Francesca Weiß, Robert Held
 
Fachplaner
Tragwerksplanung: IB Wilhelm, Dresden
ELT: IB Heilmann, Chemnitz
HLS: IB Heinrich, Chemnitz
Bauphysik: Genest, Dresden
Brandschutz: Borchert und Bucher
 
Bauleitung
IB Röder, Dresden
 
Kunst am Bau
Reinhard Minkewitz, Leipzig
Bronzekopf Erich Loest
 
Ausführende Firmen
Rohbau: HTM Mittweida
Dachdecker: AHT Klempner Waldheim
Vorhangfassade: Kühne Dachsysteme Chemnitz
Glasfassade: Wirth Chemnitz
Fenster: Burkhardt Frankenberg
Außenputz: Probau Annaberg-Buchholz
Innenputz: Bau Schulze Lichtenau
Trockenbau: SF Ausbau Freiberg
Fliesen: Maul Lichtenau
Bodenbelag: Helke Augustusburg
Tischler: Hofmann & Großmann Ottendorf-Okrilla
Stuck: Schloss Kaufungen Limbach-Oberfrohna
Aufzug: Schmitt + Sohn, Chemnitz
ELT: Beyer & Lohs Frankenberg
HLS: Kraska Oberlungwitz
 
Hersteller
Dach- und Fassadenbekleidung: Bemo
Glasfassaden: Schüco
Fenster- und Türbeschläge: FSB
Fassadenputz: STO
HPL: Resopal
Fliesen: Zahna
Leuchten: Neko, Berliner Messingleuchten, Georg Bechter
 
Bruttogeschossfläche
2.030 m²
 
Gesamtkosten
6.500.000 €
 
Fotos
Robert Gommlich

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