Aus vielerlei Holz

lohrmannarchitekten bda
27. März 2024
Fein und edel präsentiert sich das Ensemble der beiden Scheunen vor den herbstlichen Hintergrund. (Foto: Volker Schrank)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Für das Vorhaben des Landesverbandes für Obstbau, Garten und Landschaft e.V. (LOGL) ein neues Bildungszentrum in Weil der Stadt als Ort der Wissensvermittlung und des sozialen Austauschs zu schaffen, war der idyllische Baugrund inmitten der gewachsenen, historischen Kulturlandschaft geradezu ideal. Das Gebäude ist Seminarraum, Bibliothek, Ausbildungsstätte, Verwaltungsgebäude, Lehrgarten, Schatz- und Schaukästchen in einem. Traditionell fördert der Verein die Vielfalt der Gartenkultur, die Bewahrung der Kulturland-schaft sowie die Vermittlung von Fachwissen aus den Bereichen Obst- und Gartenkultur. Als einer der mitgliederstärksten Verbände in Baden-Württemberg kann der LOGL mit diesem ambitionierten Projekt einen öffentlichen Ort generieren, an welchem die Themen und Werte des Verbandes kommuniziert und gelebt werden.

Der Baukörper zitiert assoziativ, die in der Umgebung solitär gesetzten Feldscheunen. (Foto: Volker Schrank)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?

Am Anfang jeden Entwurfs steht für uns stets eine intensive kultur- und baugeschichtliche Spurensuche. In diesem Projekt, das von Streuobstwiesen mit solitär, gestreuten Scheunen umgeben ist, waren die Vorbilder schnell gefunden. Zitiert werden zwei Baukörper, welche sich typologisch an die landschaftsprägenden Feldscheunen anlehnen. Sie definieren einen Ort, der diese traditionellen Baukörper neu interpretiert und an die Bedürfnisse des LOGL anpasst. Vor allem aber ist es der höchst inspirierende Entwurf, wie mit und in der Natur gebaut werden kann. Gebäude sollen sich einfügen, in die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft. Sie dürfen Assoziationen wecken und sich in den Kontext einweben, als ob sie schon immer dagewesen wären.

Flexible Scheunentore erzeugen durch die maximal, genutzte Hängung eine bühnenhafte Feierlichkeit, gestützt durch die filigrane Auflösung und durch die verspielte Ornamentik. (Foto: Volker Schrank)
Frei eingestellte Baukörper gliedern und zonieren die Einraumarchitektur. Jedem Raumteiler wird eine edle Holzart zugewiesen. Die Treppe gefügt aus massiver Eiche, die Skulptur des Künstler Lars Zech aus dem Stamm einer monumentalen Esche gearbeitet. (Foto: Volker Schrank)

Der Sanitärblock mit verschiedenen Schrankzonen trennt Foyer und Seminarraum und feiert die wilden Farbabstufungen des Apfelholzes. (Foto: Volker Schrank)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Bei der Gestaltung und Orientierung der Gebäude wurde sowohl die pittoreske Landschaft als auch die Inhalte und Werte des Verbandes thematisiert, kommuniziert und inszeniert. Die Selbstverständlichkeit und Zurückhaltung welche das Gebäudeensemble im Dialog mit der umgebenden Landschaft ausstrahlt, bildet den perfekten Hintergrund für die sinnliche Materialisierung und für die gezielt eingesetzte Ornamentik. Die umlaufende Fassade wird durch ein filigranes Lochmuster aufgebrochen, welches sich lose gestreut, allseitig wiederholt. Der Effekt ist betörend. Bei Nacht leuchtet das Gebäude förmlich von innen heraus und tagsüber wirft die Sonne ein feines Muster in die Räume. 

Der sakral anmutende Seminarraum gewährt mit seinen präzisen Öffnungen in Wänden aus astarmer Weißtanne die Ausblicke in die umgebenden Streuobstwiesen und die Weite des Heckengäus. (Foto: Volker Schrank)
In den Büroräumen bestimmt der edle Charakter des Walnussholzes die Atmosphäre und vermittelt Wohnlichkeit und Wertigkeit. (Foto: Volker Schrank)
Im Obergeschoss beherbergt der akustisch abgedämpfte, introvertierte Raum die Bibliothek für Pomologie und Gartenbauliteratur. (Foto: Volker Schrank)

Der hölzerne Aufzugschacht mit der skulpturalen Eichenholztreppe verbindet die Ebenen räumlich. Beide Elemente erschließen das Haus in Kombination barrierearm. (Foto: Volker Schrank)
Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt? Wie haben Sie diesen im Projekt Rechnung getragen?

Als öffentlicher Ort im Außenbereich inspiriert das Konzept, mit der Natur zu bauen und sich ihrer großen Vielfalt an Nadel-, Laub- und Obsthölzern zu bedienen. So feiert das Haus ganz nebenbei die Vielfalt an Holzarten seiner Umgebung und zeigt die Vielfalt an Möglichkeiten auf, wie diese zeitgenössisch eingesetzt werden können. Es wurden Materialien und Fügungen gewählt, die typischerweise seit Jahrhunderten in bäuerlichen Gebäuden verwendet werden, ergänzt durch Bauteile aus präziser, industrieller Vorfertigung. Verbaut und in Szene gesetzt wurden Nadelhölzer wie Fichte, Douglasie und Weißtanne sowie Laub- und Obsthölzer wie Apfel, Walnuss, Esche, Birke und Eiche. Durch den modellhaften Vorbildcharakter der Konzeption, wurde das Projekt im Rahmen des Holz Innovativ Programms HIP des Landes Baden-Württemberg großzügig mit Fördermitteln unterstützt.

Des Nachts erleuchtet die filigran aufgelöste Fassade die Umgebung, gewährt Einblicke und erzählt selbstbewusst von der zeitgenössisch angepassten Nutzung als einladender, öffentlicher Raum. (Foto: Volker Schrank)
Inwiefern haben Sie im Projekt die Verwendung von Naturbaustoffen und zirkulären Baustoffen angestrebt?

Nachhaltigkeit gilt für dieses Projekt auch in Bezug auf regionale Wertschöpfungsketten. Mit der Wahl von lokalen, natürlichen Materialien, Produzenten und Verarbeitern beschränkten wir den CO2-Ausstoß der grauen Energie auf ein Minimum. Um Ressourcen primär und sekundär zu schützen, wurde jedes Bauteil hinterfragt und nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit optimiert. Die handelsübliche Grobspan-Platte wurde so durch eine leimfreie Funderplan Version ersetzt, der Aufzugschacht wurde konsequenterweise in Holz ausgeführt. Technisch aufwendige Fassadenschichten sucht man in diesem Gebäude vergebens. Intelligente Low-Tech-Lösungen wie zum Beispiel die außenliegenden, händisch verschiebbaren Sonnenschutztore, ersetzen die sonst übliche Verschattungstechnik. Die Infotheke im Foyer wurde durch den Künstler Lars Zech aus einer massiven Esche subtraktiv und skulptural herausgearbeitet.

Schwarzplan (Zeichnung: lohrmannarchitekten bda)
Grundrisse Erdgeschoss und 1. Obergeschoss (Zeichnungen: lohrmannarchitekten bda)
Querschnitt und Längsschnitt (Zeichnungen: lohrmannarchitekten bda)
Ansichten West und Ost (Zeichnungen: lohrmannarchitekten bda)
LOGL Bildungszentrum
2023
Malersbuckel 11
71263 Weil der Stadt

Nutzung
Bildungseinrichtung und Verwaltung

Auftragsart
Direkt
 
Bauherrschaft
gemeinnütziger Verein, Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden Württemberg e.V.
 
Architektur
lohrmannarchitekten bda, Stuttgart
Team: Franziska Heller, Stefanie Larson, Holger Lohrmann, Celine Muller, Mareike Richter, Caroline Thaler
 
Fachplaner
Statik: FM Ingenieure PartGmbH, Herrenberg
Bauphysik: Bauphysik 5 PartGmbH, Backnang
HLS: Die Planschmiede, Andre Geckeler, Vaihingen/Enz
 
Kunst am Bau
Lars Zech, Bildhauer, Gächingen
 
Ausführende Firmen
Rohbau: GFH Bauunternehmung GmbH&Co.KG, Kornwestheim
Holzbau: Holzbau Schaible, Wildberg
Innenausbau: Volksmöbel GbR, Obersulm-Affalterbach
Fenster: Hauber Fensterbau GmbH, Jagstzell
Flaschner: Buck GmbH, Wildberg
HLS: Kublig GmbH, Ostfildern
Fliesen: Michael Stähle, Sindelfingen
Estrich: Hägele-Estriche, Beilstein
Parkett: Keck GmbH, Althengstett

Energiestandard
KFW 55 Standard, Null-Emissions-Gebäude

Bruttogeschossfläche
405 m² 
 
Gebäudevolumen
1.670 m³

Gesamtkosten
k.A.
 
Auszeichnung
Deutscher Holzbaupreis 2023, Anerkennung
 
Fotos
Volker Schrank Fotografie, Stuttgart

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