Amtsgericht Brandenburg
Unter einem Dach
26. juni 2006
Der Kasernenbau wurde schlicht verlängert - und in der Erweiterung sind erkennbar die Räume, die beim besten Willen nicht in die Kasernenstruktur gepasst hätte.
Umbau, Anbau und Ausbau des Kasernengebäudes aus den dreißiger Jahren waren längst beschlossene Sache – die Architekten Arnke und Häntsch hatten den Realisierungswettbewerb auf dem Konversionsgelände »Behördenzentrum« schon 1996 gewonnen – aber auch beim Aufbau Ost geht nicht alles auf einmal, sondern hübsch eins nach dem anderen. Im letzten Jahr konnte das Amtsgericht Brandenburg sein neues Domizil beziehen. Die Hausherrin ist’s zufrieden – ein größeres Lob können Architekten kaum bekommen. Was lange währt, wurde hier nicht nur gut, sondern rundum überzeugend. Der bereits weitgehend auf kleinteilige Büronutzung zugeschnittene Altbau wurde behutsam umgebaut. Außen erhielt er einen edlen, anthrazitfarbenen Putz, kontrastiert, aufgehellt und aufgefrischt durch weiße Holzfenster. Das Dach behielt seine Form, wurde aber verlängert, um den – in der Fassade deutlich als Neubau definierten – Anbau mit unter die Fittiche nehmen zu können.
Wohltuend ist die Raumhöhe des Foyers, das bis unters Dach reicht.
Der Neubau enthält all jene Räume, die unmöglich in die Struktur des Altbaus hätten gezwängt werden können: die Gerichtssäle, eine Bibliothek, das Foyer, die zentrale Erschließung und eine Cafeteria. Das durch alle Geschosse durchgehende, zur Eingangsseite vollständig verglaste Foyer wirkt einladend. Dunkler Natursteinboden, Sichtbeton an Wänden und Brüstungen, das helle Holz der Türen und Wandverkleidungen, das Anthrazit der Stahlgeländer lassen Assoziation an Behördenmief gar nicht erst aufkommen. Wenn man zum Empfang ein paar Stufen hinaufgehen muss, wird man aber doch daran erinnert, dass man kein beliebiges Verwaltungsgebäude betritt, sondern einen Ort der Staatsgewalt, einen Ort, an dem Recht gesprochen wird. Von außen kann man die Großzügigkeit des Foyers tagsüber nur erahnen, denn im Glas spiegelt sich vor allem das reicht verzierte Backstein-Gegenüber der Gründerzeitfassaden. Bei Einbruch der Dunkelheit müsste die Wirkung sehr beeindruckend sein – aber nur so lange innen beleuchtet ist.
Der Interventionskünstler Christian Hasucha hatte vorgeschlagen, im Brüstungsfeld der oberen Fensterreihe des Altbaus einen Schriftzug mit weit auseinander liegenden, weiß leuchtenden Buchstaben anzubringen: Dort hätte das Wort »ermessen« prangen sollen. Doch dieser Plan blieb in der Schublade. Schade. Die anthrazitgraue Wand kommt gewiss ohne Dekor aus – doch das wäre ohnehin das letzte gewesen, was der Künstler mit seiner Intervention hätte einbringen wollen. Ihm ging es um Denk-Anstöße, nicht um »Kunst am Bau«.
Wilfried Dechau
Der große Sitzungssaal.
Lageplan
Grundriss
Schnitt
Amtsgericht Brandenburg
2005
Magdeburger Straße 47
14770 Brandenburg
Auftraggeber
Land Brandenburg
Liegenschafts- und Bauamt
Architektur
Arnke + Häntsch
Berlin
Bauleitung
Liegenschafts- und Bauamt
Potsdam
Tragwerksplanung
Pichler Ingenieure
Berlin
HLS-Planung
Ingenieurbüro Werner
Braunschweig
Elektro-Planung
Schneider und Schramm
Braunschweig
Lichttechnik
Dinnebier Licht
Berlin
Bau- und Raumakustik
Dahms und Partner
Potsdam
Landschaftsarchitekten
Adam + Partner
Potsdam
Bruttogeschossfläche
6.550 m²
Baukosten
8,75 Mio. €
Fotografie
Wilfried Dechau