Was lange währt...

Ulf Meyer
22. November 2017
Der Neubau von Kuehn Malvezzi erweitert die bestehende Galerie um acht neue Säle (Bild: Hans-Christian Schink)

Als am Samstag der Erweiterungsbau der Modernen Galerie in Saarbrücken eingeweiht wurde, fand eine unschöne Baugeschichte ihr relativ gutes Ende. Kuehn Malvezzi Architekten aus Berlin mussten mit „fait accompli“ umgehen und eine Architektursprache finden, die den Bestandsgebäuden von Hanns Schönecker ihre Würde belässt. Im Krisenjahr 1968 eröffnete der erste Bauabschnitt des Saarlandmuseums, zwei weitere Pavillons folgten 1973 und 1976. Dann passierte dreißig Jahre lang nichts, bis im Jahr 2007 ein Wettbewerb zur Erweiterung des Museums unter 345 Büros entschieden wurde. Die Darmstädter Architekten Hochberg Neff gewannen den Wettbewerb zwar, aber das Ergebnis wurde wegen einer Regelüberschreitung annulliert und twoo Architekten aus Köln bekamen den Auftrag. Kurz nach dem ersten Spatenstich 2009 monierte der Landesrechnungshof, dass die Kostenschätzung von 12,6 Millionen Euro bewusst zu niedrig angesetzt gewesen sei. Tatsächlich kostetet der Bau 39 Millionen Euro.

Schließlich setzten sich in einem zweiten Wettbewerb mit zwölf Büros Kuehn Malvezzi Architekten aus Berlin mit ihrem Vorschlag durch, auf die Kraft der bildenden Kunst zu setzen. Mit dem Frankfurter Künstler Michael Riedel strebte ihr Vorschlag eine „Einheit von Kunstwerk und Architektur“ an. Riedels Textkunstwerk soll Vorplatz und Neubau optisch zusammenbinden. Seine Texte auf einem 4000 Quadratmeter großen „Teppich“ aus hellen Werksteinplatten geben das Protokoll einer Landtagsdebatte von 2015 wieder. Diese Platten führen am Erweiterungsbau vorbei zum Eingang zwischen Alt- und Neubau – Texte als Dekor zu verwenden ist derzeit in Mode bei Fassadengestaltungen, die sonst wenig bieten.

Das Protokoll einer Landtagsdebatte dekoriert Böden und Wände (Bild: Hans-Christian Schink)

Wegen seiner Höhe von über 14 Metern drohte der Neubau den denkmalgeschützten Altbau zu übertrumpfen. Deswegen haben Kuehn Malvezzi den drei flachen, gestaffelten Boxen von Schönekker ihre Funktion als Entrée zum Ensemble zurückgegeben. Dieser Schachzug ermöglicht nicht nur den Zugang von der Straße über einen Platz (mit bbz Landschaftsarchitekten, Berlin), sondern befreit auch den zentralen Raum im Erweiterungsbau funktional: Das Foyer konnte zum zentralen Atrium werden, das bei der Eröffnungsausstellung mit einer Installation von Pae White zeigt, was er leistet – als Orientierungspunkt und Kunstraum. Eine promenade architecturale führt durch acht Säle, deren Böden aus grauem Asphalt bestehen, der gegossen und geschliffen wurde und den schwellen- und tür-losen Parcours betont. Immer wieder fallen Blicke der Besucher in den Luftraum und durch ihn hindurch. Den unterschiedlich hohen und großen Räumen ist gemein, dass sie weiße Wände und offene Decken haben, an denen man die Haustechnik sieht. Kunstlichträume wechseln sich ab mit Sälen, die Ausblicke auf Stadt und Saar bieten.

Bauherr und Öffentlichkeit haben einmal mehr einem Architekturprojekt über viele Jahre hinweg die Umsetzung schwer gemacht und dabei völlig unnötigerweise Ressourcen und Talente verschwendet. Bauen ist in Deutschland unglaublich und unerträglich schwierig geworden. Einen halbfertigen, verkorksten und heftig attackierten Rohbau zu übernehmen, war keine einfache Aufgabe für die Berliner Architekten, aber mit ihren minimal-invasiven Maßnahmen haben Kuehn Malvezzi mit kleinen Mitteln große Wirkung bei der Rettung des Neubaus erzielt.

Moderne Galerie, Bismarckstraße 11-15, Saarbrücken
www.kulturbesitz.de
Eintritt bis 31. Dezember 2017 frei. 

Auf grauem Asphalt geht man schwellen- und türlos von Raum zu Raum. Innenansicht Trakt B (Erweiterungsbau) mit zeitgenössischer Kunst (Bild: Felix Krebs / VG Bild-Kunst, 2017)

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