Interview mit Kai-Uwe Bergmann, BIG Bjarke Ingels Group

Future Office - Büro der Zukunft: Smart Solutions II

Thomas Geuder
4. 十一月 2019
Kai-Uwe Bergmann, Architekt FAIA, RIBA, ASLA Affiliate, BIG Bjarke Ingels Group, New York (Foto: Haroldo Saboia)
»Sich als Team verstehen, das einer gemeinsamen Idee folgt «

Kai-Uwe Bergmann

Thomas Geuder: Herr Bergmann, bei BIG – Bjarke Ingels Group arbeiten Sie an einer Architektursprache, die Pragmatik sowie Utopie zu vermischen sucht, wie in der Firmenphilosophie zu lesen ist. Das können durchaus zwei gegensätzliche Ansprüche sein, denn Pragmatik gründet mitunter auf Tradition, Utopie aber muss Althergebrachtes zunächst ablehnen. Wie findet sich das in der Architektur von BIG zusammen?

Kai-Uwe Bergmann: Innerhalb der sehr praktischen und pragmatischen Grenzen in einem Stadtquartier oder auch einer Baustelle versuchen wir, ein in Grunde kleines Fragment in dieser Welt so zu realisieren, wie wir es uns vorstellen und wünschen. Unsere „pragmatische Utopie“ könnte man also am besten beschreiben als eine Müllverbrennungsanalge, auf deren Dach man Skifahren kann, oder als Hochwasserschutzanlage in New York City, die wie ein Spielplatz oder ein Park aussieht, oder auch als Parkhäuser, die zu Bergen von Häusern mit eigenen Schrebergärten werden. Sie alle scheinen in ihrem Ehrgeiz und ihrer radikalen Kombination aus scheinbar unvereinbaren Elementen utopisch zu sein. Sobald sie aber realisiert sind, werden sie zu einem integralen Bestandteil unseres Alltags.

Amager Resource Center, Copenhagen, Denmark, 2019 - Copenhagen Municipality (Foto: Laurian-Ghinitoiu)
Amager Resource Center, Copenhagen, Denmark, 2019 - Copenhagen Municipality (Foto: Søren Aagaard)

Thomas Geuder: In der Zeit, in der Sie bei BIG arbeiten – und das sind immerhin fast 14 Jahre – hat sich das Arbeiten durch die Digitalisierung vor allem im Büro stark verändert. Welche dieser Entwicklungen halten sie für sinnvoll und zukunftsträchtig? 

Kai-Uwe Bergmann: Die Arbeit in einem Architekturbüro wie BIG ist in hohem Maße ein evolutionärer Prozess. Während sich das Büro ständig weiterentwickelt, ändert sich auch meine Rolle. Alle drei Monate stelle ich fest, dass ich nicht mehr das tun kann, was ich vor drei Monaten noch getan habe. Die Technologien verändern sich, ebenso die Kompetenzen und Zuständigkeiten. Weil sich das Büro und damit sich meine Rolle also weiterentwickelt, muss ich meine Arbeitsweise immer wieder anpassen. So halte ich es in einem Büro für wichtig, die Möglichkeit und auch die Verantwortung zu haben, das Arbeitsumfeld, in dem man gerne arbeiten möchte, zu definieren. Wer sein eigenes Büro leitet, muss auch vorgeben können, welche Arbeitskultur vorherrscht und in welcher Art und Weise die Mitarbeiter miteinander umgehen und zusammenarbeiten, wie die sich gegenseitig helfen, um den ein oder anderen Gefallen bitten und dies auch im Team formulieren. Diese zwischenmenschliche Art des Umgangs zu definieren und zu etablieren, ist in einem sich permanent ändernden und erneuernden technologischen Umfeld enorm wichtig. 

Google Charleston East, Mountain View, USA 2021 - Google (Visualisierung: BIG Bjarke Ingels Group)
Google Charleston East, Mountain View, USA 2021 - Google (Visualisierung: BIG Bjarke Ingels Group)
Google Charleston East, Mountain View, USA 2021 - Google (Visualisierung: Heatherwick Studio)

Thomas Geuder: Ihr konzeptueller Ansatz, das Bauen immer neu zu (über)denken, muss zwangsweise beim Bauherrn und den späteren Betreibern von Bürogebäuden (oftmals auch die Facility Manager) ebenfalls zum Neudenken führen. Mit welchen Argumenten schaffen Sie es, diesen Wandel in der Unternehmenskultur bei Ihren Bauherrn bzw. den Betreibern der Gebäude zu etablieren?

Kai-Uwe Bergmann: Bei der Architektur geht es vor allem darum, eine Fiktion in eine gebaute Realität zu übersetzen. Es ist ein Klischee zu glauben, der kompromisslose Kreative und Künstler solle alle Einschränkungen ignorieren, damit die Reinheit seines Denkansatzes nicht beeinträchtigt wird. Ich denke aber, wir haben einen guten Weg gefunden, wie wir das Chaos der widersprüchlichen Anforderungen in einem Projekt in eine treibende Kraft des Designs verwandeln können. Für uns Architekten gibt es bei einer Aufgabe in gewisser Weise fast immer eine Standardlösung, etwa wenn es darum geht, eine Schule, ein Wohnhaus oder eben auch ein Bürogebäude zu entwerfen. Es ist jedoch wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern, dass die Dinge nicht zur Gewohnheit werden, vor allem wenn sie dadurch nur noch schlecht werden. Die Qualität einer Standardlösung lässt sich verbessern, indem wir ein hohes Niveau immer wieder und effektiv liefern. Wann immer wir bei BIG an einem Projekt arbeiten, sagen wir uns: Der einzige Weg, die Standardlösung zu übertreffen, ist der, besser zu sein, durch die Beschäftigung mit wichtigen, aber noch nicht identifizierten Problemen.

Shenzhen Energy HQ, Shenzhen, China, 2018 - Shenzhen Energy  (Foto: Chao-Zhang)

Thomas Geuder: Eine Gebäudeplanung resp. Büroplanung ist dann „smart“, wenn das Ergebnis nicht nur gut aussieht, sondern auch funktioniert, also auf den Nutzer perfekt zugeschnitten ist. Berichten Sie bitte aus Ihrem Arbeitsalltag: Mit welchen Mitteln finden Sie heraus, was der Nutzer im Grunde benötigt bzw. an welchen Stellen gehen Sie über dessen Wünsche und Vorstellungen hinaus?

Kai-Uwe Bergmann: Schaut man sich die moderne amerikanische Architektur an, fällt auf, dass die wichtigen Ikonen meist Unternehmenszentralen sind. Viele dieser Bauten wurden von Gordon Bunshaft oder Eero Saarinen für große Firmen gebaut, ebenso das Seargram Building oder das Lever House. Das Amerika der 1950er- und 1960er-Jahre war also ein Motor für die architektonische Innovation, der sich in den letzten Jahren jedoch verlangsamt hat. Die Innovationskraft auf diesem Gebiet hat sich verlagert an andere Orte auf der Welt, wie etwa Shenzhen, eine Stadt, die sich in den letzten 30 Jahren von einem Fischerdorf zu einer Metropole mit gut 40 Mio. Einwohnern entwickelt hat. Hier bauen wir das Büro-Hochhaus „Shenzhen Energy HQ“ mit einem „Tropical Modernism“ und einem Energieverbrauch, den wir über 30 % verringern konnten, und zwar nur durch eine gefaltete Fassade. Gleichzeitig bauen wir die Müllverbrennungsanlage „Copenhill“ in Dänemark, die wie eine proaktive Nachrüstung wirkt. Dies sind gemischt genutzte Gebäude, die das Beste aus dichten Stadtgebieten herausholen und das ergänzen, was eigentlich bereits vorhanden ist. In der Zukunft wird man noch viele solcher Beispiele sehen: Großinvestitionen der öffentlichen Hand in Energie und Verkehr, die weder eine böse Überraschung sein werden noch Brachflächen schaffen, sondern sorgfältig durchdachte, urbane Eingriffe sind. Sobald diese Projekte abgeschlossen sind, wird sich zeigen, welche Möglichkeiten sich durch sie für andere Städte bieten, diese Entwicklung fortzusetzen.

Shenzhen Energy HQ, Shenzhen, China, 2018 - Shenzhen Energy (Foto: Chao-Zhang)

Thomas Geuder: Die Digitalisierung ermöglicht ein Arbeiten unabhängig von einem festen Ort. Demgegenüber wünschen sich Unternehmen immer wieder eine enge Zusammenarbeit der Mitarbeiter im gemeinsamen Büro. Beides wirkt sich schlussendlich auf die Architektur und die Innenraumgestaltung aus. Welchen Ansatz halten Sie für richtig und wie drückt sich das in Ihrer Arbeit aus?

Kai-Uwe Bergmann: Wir überlegen derzeit, uns von „BIG Bjarke Ingels Group“ zu „BIG LEAP“ umzubenennen. LEAP steht für Landschaft, Ingenieurwesen (Engineering), Architektur und Produktion. Momentan arbeiten bei uns Landschaftsarchitekten, Maschinenbauer, Bauingenieure, Umweltingenieure, Gartenbauer, Produktionsdesigner und Bauunternehmer. Im Grunde genommen sind wir „BIG BUILDERS“, die eine holistische, also eine ganzheitliche Idee verwirklichen können. Wir arbeiten viel mit Wissenschaftlern zusammen. Wir haben sogar einen Raketenwissenschaftler in unserem Team, der früher bei SpaceX arbeitete. Um heute als kreatives Unternehmen sinnvoll agieren zu können, müssen Sie so viele Fähigkeiten wie möglich unternehmensintern aufnehmen. Das halten wir für den wichtigsten Punkt. An welchem Ort die Mitarbeiter dann arbeiten, ist im Grund zweitrangig. Wichtig ist vor allem, dass sie sich als Team verstehen, das einer gemeinsamen Idee folgt.

Shenzhen Energy HQ, Shenzhen, China, 2018 - Shenzhen Energy (Foto: Chao-Zhang)

Thomas Geuder: Wie sieht Ihr ideales, zeitgemäßes und für die Zukunft gewappnetes Büro aus bzw. was muss es künftig können und was wird von alten Bürostrukturen vielleicht auch erhalten bleiben?

Kai-Uwe Bergmann: Ich denke, unser Masterplan für Google und die ersten Bauten, die wir jetzt gemeinsam mit Thomas Heatherwick verwirklichen, zeigen die ganzheitliche Strategie, wie das Arbeiten in Mountain View sinnvoll organisiert werden kann. Wir versuchen deshalb auch, das Start-up-Feeling zu bewahren, obwohl es sich eigentlich bereits um maßgeschneiderte Gebäude handelt. Uns geht es darum, eine Umgebung zu schaffen, in der es sich anfühlt, als sei alles möglich, statt eine perfekte Bürolandschaft zu generieren, die aber im Status Quo versteinert. Also etwas zu schaffen, das sich frei, flexibel und offen anfühlt, obwohl es für ein sehr großes, etabliertes Unternehmen entwickelt ist. Ich denke, ein zweiter, wichtiger Punkt dabei ist der Versuch, diesen vorstädtischen Bürocampus in die potenzielle Form einer Art Silicon-Valley-Urbanismus zu verwandeln – um die Natur zurückzubringen, statt die Fläche für endlose Parkplätze zu nutzen, ebenso um zu sehen, ob ein Teil der Energie und technologischen Innovationkraft, die die Unternehmen im Silicon Valley hervorgebracht haben, auch die städtische Umgebung beeinflussen und charakterisieren können.

BIG U, New York, USA, 2023 - New York Municipality (Visualisierung: BIG Bjarke Ingels Group)
Kai-Uwe Bergmann, FAIA, RIBA, ASLA Affiliate, ist Partner bei BIG Bjarke Ingels Group und bringt sein Fachwissen in Vorschläge rund um den Globus ein, einschließlich Arbeiten in Nordamerika, Europa, Asien und dem Nahen Osten. Kai-Uwe leitet die Geschäftsentwicklung von BIG, in der das Büro derzeit in über 40 Ländern tätig ist. Er überwacht die Urban-Scales-Projekte von BIG und unterstützt BIG Landscape. Registriert als Architekt in den USA und Kanada.

Die Paperworld und das Future Office – Büro der Zukunft
Die Paperworld ist die weltweit wichtigste Informations- und Kommunikationsplattform für die moderne Bürogestaltung. Jährlich zeigt die Fachmesse in Frankfurt am Main die neueste Produkte und Trends der nationalen und internationalen Papier-, Bürobedarf- und Schreibwarenbranche. Das  Innovationsareal „Future Office – Büro der Zukunft“ richtet sich an Architekten, Facility Manager und Planer wie auch an Händler für Bürobedarf und -einrichtungen. Nachdem es 2017 erfolgreich Premiere feierte, beleuchtet es in seiner nunmehr vierten Auflage das Thema „Smart Solutions“. Dabei geht es um die vielfältigen Chancen, die die derzeitige Veränderung der Arbeitswelt mit sich bringt, präsentiert in einem anregenden und inspirierenden Rahmen. Das Gestaltungskonzept des Areals liegt erneut in den Händen des Architekturbüros Matter, mit dem international anerkannten Architekten André Schmidt aus Berlin und World-Architects. Das Innovationsareal „Future Office – Büro der Zukunft“ findet sich in Halle 3.0 Stand C51 und liefert während der Paperworld vom 25. bis 28. Januar 2020 ganztägig Vorträge und neue Ideen zur Arbeitswelt von morgen.​

Anmeldung zu den Vorträgen am 27. und 28. Januar 2020 in Frankfurt am Main mit Klaus Dederichs (Drees & Sommer SE), Sandra Breuer (combine Consulting GmbH), Martin Haas (haascookzemmrich STUDIO2050), Jan Kleihues (Kleihues + Kleihues), Julian Weyer (C. F. Møller Architects), Jennifer Ester (KSP Jürgen Engel), Herwig Spiegl (AllesWirdGut Architektur ZT GmbH) und Tobias Wulf (wulf architekten):
​Paperworld 2020 - Büro der Zukunft - Anmeldung

World-Architects ist Content-Partner der Messe Frankfurt.​

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