Verbundene Sphären

SINAI
20. 十一月 2019
Blick auf Wasser und Sphäre (Visualisierung: SINAI)
Im sechzehn Hektare umfassenden Wettbewerbsgebiet soll in der Gemeinde Kirchheim ein Ortspark, sowie dessen Nutzung als Veranstaltungsgelände zur Landesgartenschau entwickelt werden. Welche Bedeutung hat der Wettbewerb für Kirchheim?

Ich würde sagen, der neue Park ist zuerst ein Projekt der Identitätsbildung und der Gemeinschaftlichkeit. Kirchheim ist eine Umlandgemeinde Münchens; sehr, sehr gut angebunden, als Wohnstandort äußerst attraktiv. Sie ist aus einem winzigen Kern heraus schnell gewachsen und schickt sich nun an, mit dem zweiten Ortsteil Heimstetten auch baulich zusammenzurücken. Der Park verbleibt nun als Rest der landschaftlichen Zäsur zwischen den Siedlungsteilen und umgekehrt bildet er nun die gemeinsame Mitte. Die Stadt hat diese Zentrumsfunktion planerisch vorbereitet. Es wurden und werden Schulen und Jugendeinrichtungen angesiedelt, das Rathaus, der Bürgersaal. Es entsteht eine Mitte für Alle, die andernorts in der historischen Altstadt situiert ist.

Umso wichtiger ist ein hohes Maß an Identifikation der Bürger mit dem Park. Wir haben hier im Verfahren ein Programm vorgefunden, das auf einer intensiven Kommunikation mit der Bürgerschaft beruht. Dafür waren wir dankbar. Schließlich ist die Planungsaufgabe eines Parks in der ländlich geprägten Peripherie zu sehr außergewöhnlich und kann nicht unbedingt mit klassischen, urbanen Parkmotiven beantwortet werden.

Bestand (Foto: SINAI)
Wie gliedern Sie Park und Ausstellung?

Vier kontrastierende Natur-Elemente prägen den neuen Kirchheimer Park. Wildnis, Wasser, Wald und Wiese. Wir haben sie ausgehend von vorgefundenen Motiven entwickelt: Da sind verwilderte Brachflächen mit Resten von Verkehrsbegleitgrün, ein eher zufällig entstandenes Wäldchen und Baumsolitäre von vormaligen Parkplätzen und natürlich die landwirtschaftlichen Offenflächen im Süden. Das Element Wasser haben wir als starke zentrierende Setzung hinzugefügt. Wir haben darauf verzichtet, die Elemente in einem großen übergreifenden Parkbild aufgehen zu lassen, stattdessen haben wir versucht diese Elemente in vier Zonen, die wir „Sphären“ nennen, gestalterisch und atmosphärisch zu verdichten und zu ihrem Recht kommen zu lassen. 

Zusammengebunden werden die Sphären durch eine zentrale Wegeschleife, den großen Achter. Er verknüpft die Ortsteile auf schnelle und sofort verständliche Weise und bietet trotzdem eine Vielzahl von Rundwegeoptionen. 


 

Übersichtsplan Landesgartenschau (Zeichnung: SINAI)
Wie organisieren Sie den Eingang zum Park?

 Die Gestaltung der Eingänge ist in Kirchheim nicht nur eine Frage der Erschließung. Schließlich sollen sowohl die Einwohner von Kirchheim im Norden als auch von Heimstetten im Süden „ihren” Park mit einem starken Bild verbinden. Es geht um die Schaffung von Aha-Erlebnissen an den Schwellen zum Park, also eher um eine Frage der bewußten Bildkomposition. Hier geht es um die Gestaltung und Staffelung von räumlicher Tiefe, um tatsächlich einen gemeinschaftlichen Raum spürbar zu machen. Im Norden erfolgt der Zugang über eine Treppe zwischen Rathaus und Bürgersaal mit der sich öffnenden Blickachse über den Parksee. Im Süden haben wir mit der ParkSoulKitchen eine neue Parkarchitektur als Gemeinschaftsarchitektur mit Blick über die große Parkwiese angeboten.

Welche landschaftsarchitektonischen Themen waren Ihnen für die Gartenschau besonders wichtig?

Es ist der Umgang mit der Natur. Lassen sie mich so anfangen: Tatsächlich besetzt Kirchheim ein Thema, das viele Menschen betrifft, aber nicht sehr bewusst diskutiert wird. Wie sieht das Leben in den suburbanen Zonen unserer Großstädte aus? Wir stehen in einem beispiellosen Urbanisierungsprozess, in dem gleichzeitig aber die Innenstädte für Familien nicht mehr finanzierbar sind. Zieht man dann „aufs Land“, stellt sich dieses häufig als ausgeräumte Agrarsteppe mit großen Siedlungsteppichen dar. 

Wir waren nun wirklich gespannt, was die Bürger Kirchheims sich für ihren Park vorstellen, angesichts eines hohen Anteils an Privatgärten und eines Übermaßes an „freier“ Landschaft rund um ihren Ort und siehe da: Es scheint nicht der klassische Volkspark mit Wegen und gepflegten Rasenflächen zu sein. Es geht in erster Linie um die Schaffung von Natur in der Stadt. Als Rückzugsraum für bedrohte Arten und auch als Erlebnisraum für die Begegnung mit der Natur. Diese Funktion und diese Sehnsucht erfüllt unsere Agrarlandschaft nicht mehr. Vielleicht können wir sie in Parks dieser Art erfüllen - und wir suchen nach neuen Techniken und Bildern dafür. 

Piktogramm Sphären (Grafik: SINAI)
Piktogramm Themenbereiche (Grafik: SINAI)
Was bleibt der Gemeinde Kirchheim nach der Landesgartenschau?

Das Meiste und das Wichtigste. 

Die Themen des Parks sind nämlich die Themen der Gartenschau. Für uns sind Gartenschauen besonders überzeugend, wenn sie nicht losgelöst vom Ort als Show inszeniert sind, sondern wenn sie ein hohes Maß an Übereinstimmung mit dem neu Geschaffenen zeigen. Für uns sind Gartenschauen tatsächlich sechs Monate andauernde Feiern des Neuen. 

Insofern freut es uns immer, wenn sich das Gesicht der Parks nach der Schau wenig verändert, weil sie bereits auf Dauer angelegt waren. Die Kirchheimer Parksphären als Naturerlebnisräume werden bespielt und erklärt, bleiben aber weitgehend so erhalten. Klassische temporäre Gartenschaukomponenten mit Messe- und Partycharakter liegen fast ausschließlich in künftigen Baufeldern am Rand, stellen also Zwischennutzungen dar. Unmittelbar nach der Schau beginnt die bauliche Umsetzung und der Park erhält seine dauerhafte städtebauliche Schale.

Übersichtsplan Daueranlagen (Zeichnung: SINAI)
Landesgartenschau 2024, Kirchheim bei München
Offener Wettbewerb

Auslober / Bauherr: Gemeinde Kirchheim bei München
Betreuer: Keller Damm Kollegen Landschaftsarchitekten · Stadtplaner GmbH, München
 
Jury
Barbara Weihs | Robin Winogrond | Martin Rist | Timo Herrmann | Roberto Kaiser | Peter Brückner | Helmut Cybulska | Tobias Kramer | Florian Otto | Felix Metzler
 
1. Preis
Landschaftsarchitekt: SINAI Ges. von Landschaftsarchitekten mbH, Berlin
 
ein 3. Preis
Landschaftsarchitekt: Franz Reschke Landschaftsarchitektur, Berlin

ein 3. Preis
Landschaftsarchitekt: realgrün Landschaftsarchitekten, München

ein 3. Preis
Landschaftsarchitekt: hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH, Berlin

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