Prägnant im Raum

netzwerkarchitekten
4. 十二月 2019
Schwarzplan (Zeichnung: netzwerkarchitekten)
Im äußeren Darmstädter Innenstadtbereich gelegen soll der Marienplatz als letzte zusammenhängende Freifläche neuentwickelt werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Gegenwärtig wird die beinahe ebene Fläche nur als unbefestigter öffentlicher Parkplatz genutzt. Sie wird im Norden, Osten und Westen von stark frequentierten Straßenzügen begrenzt. Die bestehenden Bebauungsstrukturen im Umfeld sind uneinheitlich – ein Spiegel der unterschiedlichen Quartiere, beziehungsweise Nutzungen, an deren Schnittstelle der Marienplatz liegt: 

Im Norden jenseits der Hügelstraße liegt die sog. ‚Mollerstadt‘, eine rechtwinklig angelegte Blockrandstruktur aus dem 19. Jahrhundert, die nach der Zerstörung Ende des zweiten Weltkrieges in den 1950er-Jahren weitgehend auf dem historischen Stadtgrundriss wieder aufgebaut wurde.

Im Osten gegenüber der Heidelberger Straße blickt man auf die Rückseite des Staatstheaters mit ihrer vorgelagerten, derzeit zum Teil als Mitarbeiterparkplatz genutzten Freifläche.

Im Westen liegt hinter der Hindenburgstraße mit ihrem parallel verlaufenden, von offener Bebauung gesäumten Grünzug das sogenannte ‚Verlagsviertel‘, das von den Einrichtungen der Hochschule geprägt ist und welches seit einigen Jahren einen verdichtenden Wandel von einer ursprünglich vorwiegend gewerblichen Nutzung hin zu einem (studentischen) Wohnquartier vollzieht.

Im Süden schließlich liegt ein von großen, zumeist frei stehenden Geschosswohnungsbauten geprägtes Quartier, sodass dort eine ruhige Seite entsteht.

In diesem Kontext nimmt man mit der Struktur der künftigen Bebauung eine Standortbestimmung des Platzes vor, die viele Interpretationen zulässt – insofern war es richtig, dass die Auslobung wenig stadtplanerische Vorgaben zur Bebauungsstruktur machte, sondern im Wesentlichen den Nutzungsschwerpunkt Wohnen und Rahmenwerte für die zu erzielende Ausnutzung festlegte.

Lageplan (Zeichnung: netzwerkarchitekten)
Welches sind die Kerngedanken Ihres Entwurfs?

Wir erkennen die Chance, Wegeverbindungen zu stärken und bestehende Grünräume zu verbinden. 

Das Verlagsviertel und der Hochschulcampus im Westen werden über den Grünraum der Landgraf-Philipps-Anlage, das intensiv begrünte Marienplatzgelände und seine flankierende Promenade mit den weiten Freiflächen des Staatstheaters bis zur Innenstadt, beziehungsweise zur Wilhelminenstraße im Osten, miteinander verknüpft.

Die Figur des Mäanders fasst das Baufeld in einer Figur von hoher Prägnanz, welche keine der anliegenden Strukturen fortschreibt, jedoch auf jede reagiert. Sie gliedert das Bauvolumen in maßstäbliche Teilabschnitte und ermöglicht zunächst eine hohe Dichte, ein hohes Maß an Kompaktheit, eine wirtschaftliche Erschließung. Sie generiert zudem eine Struktur, die von wechselseitig ausgerichteten Hof-/Platzräumen geprägt ist, deren Freiräume sich nördlich und südlich des Baukörpers unterscheiden. 

Der zentrale, nach Süden geöffnete und intensiv begrünte Hof ist das gefasste und geschützte Herz der Anlage. Die nach Norden gewandten Platzräume öffnen die Anlage zum Stadtraum – im Westen zur benachbarten Kirche und im Osten zur Innenstadt - dieser Platz wird von einem Hochhaus bestimmt, dass sich in die bestehende Folge von Hochpunkten entlang des Straßenzuges Heidelberger Straße/ Neckarstraße/ Kasinostraße einreiht.


 

Anmutungen (Skizzen: netzwerkarchitekten)
Welche Nutzungsverteilungen sieht Ihr Konzept vor?

Hochhaus und Mäander weisen im wesentlichen Wohnnutzung auf. Bezogen auf die Wohn-Bruttogeschossfläche werden 45% dem sozial geförderten Wohnen vorbehalten, hiervon 25% für geringe Einkommen und 20% für mittlere Einkommen. Am Westende des Mäanders wird eine städtische Kita auf eigenem Grundstück gegenüber der Kirche ausparzelliert. Im Verlauf der Promenade sind erdgeschossig quartiersbezogene Co-Working-Flächen vorgesehen. Am Stadtplatz um das Hochhaus finden sich weitere quartiersbezogene Infrastrukturen, zum Beispiel ein Pflegedienst, eine Mobilitätsstation, eine Bäckerfiliale und anderes mehr. Am Fuße des Hochhauses ist ein prominent gelegenes Restaurant mit Bar und Außenbewirtschaftung vorgesehen. 

Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: netzwerkarchitekten)
Schnitt (Zeichnung: netzwerkarchitekten)
Welche Rolle kommt der Freiraumplanung zu?

Die Freiraumplanung greift die städtebauliche und architektonische Konzeption auf und schreibt sie fort: Die verschiedenen Plätze werden ihrer Lage und Funktion entsprechend unterschiedlich ausgearbeitet, wobei immer dem Anspruch der intensiven Begrünung Rechnung getragen wird. Bestehende Baumreihen entlang der Grundstückskanten werden weitgehend erhalten. In den Höfen ermöglichen Ein-, beziehungsweise Ausschnitte der darunter liegenden Tiefgarage die Pflanzung hochstämmiger Bäume, um Boden und Fassaden zu verschatten und Aufenthaltsqualität, beziehungsweise Mikroklima zu verbessern. In Abhängigkeit der weiteren architektonischen Planung werden unterschiedliche Möglichkeiten der Begrünung von Fassaden und Dächern untersucht – beispielsweise auch das Angebot von ‚Urban Gardening‘ auf den Dachflächen. 

Welche übergreifenden Qualitäten waren Ihnen besonders wichtig?

Wir erkennen in der Neuentwicklung des Marienplatzes die Chance, in der Wissenschaftsstadt Darmstadt das Pilotprojekt eines tatsächlich zukunftsweisenden und nachhaltigen Quartiers zu entwickeln: in ökologischer Hinsicht, vor allem durch Holzbauweise, eine intensive Begrünung und eine gleichermaßen intelligente wie ressourcenschonende Gebäudetechnik. / in wirtschaftlicher Hinsicht, vor allem durch ein hohes Maß an Vorfertigung (LEAN Philosophie). / in sozialer Hinsicht auf der Basis einer Konzeption, die nicht nur unterschiedliche Bewohnerzielgruppen adressiert und hierbei hohe Anteile auch geförderten Wohnungsbaus aufweist, sondern vor allem auch ein hohes Maß an Zugänglichkeit, Teilhabe und gemeinschaftlicher Aktivität für eine sozial wie demografisch vielfältige Bewohnerschaft vorsieht.

Ist schon ein Bebauungsplan In Arbeit?

Die Stadt Darmstadt beabsichtigt, das Planungsrecht durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan zu schaffen. Voraussichtlich wird hierfür ein eigenes Planungsbüro beauftragt, sodass wir die weitere Durchplanung unseres Entwurfes zeitlich parallel zum Bebauungsplan erarbeiten können. Gegenwärtig stimmt die Stadt den Grundstückskaufvertrag mit dem Investor ab.

Modell (Foto: netzwerkarchitekten)
Marienplatz, Darmstadt
Nicht offener Wettbewerb
 
Auslober/Bauherr: Stadt Darmstadt
Betreuer: Bäumle Architekten | Stadtplaner, Darmstadt

Jury
Prof. Christa Reicher, Vors. | Jochen Krehbiehl | Torsten Becker | Christian Engelhard | Dr. Fred Gresens | Prof. Dr.-Ing. Annette Rudolph-Cleff | Thomas Wirth
 
1. Preis
Architekt: netzwerkarchitekten, Darmstadt
Landschaftsarchitekt: GTL - Michael Triebswetter Landschaftsarchitekt, Kassel
Entwickler: Implenia Development, Raunheim
 
2. Preis
Architekt: Lieb + Lieb Architekten, Freudenstadt
Architekt: Hähnig-Gemmeke, Tübingen
Architekt: Prosa Architektur und Stadtplanung, Darmstadt
Landschaftsarchitekt: Stefan Fromm Landschaftsarchitekten, Dettenhausen
Entwickler: Bonova Wohnbau, Neu-Isenburg

3. Preis
Architekt: Ackermann+Raff Architekten, Stuttgart
Landschaftsarchitekt: Glück Landschaftsarchitektur, Stuttgart
Entwickler: Die Mehrwertbauer GmbH, Berlin

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