Mit Fernwirkung

Behnisch Architekten
18. 十二月 2019
Markanter Quader – die adidas Arena bildet den Auftakt zur Konzernzentrale in Herzogenaurach (Foto: David Matthiessen)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Es ging nicht einfach darum, den adidas-Campus in Herzogenaurach um ein weiteres Haus zu ergänzen. Das Gebäude sollte vielmehr als neuer Haupteingang den Campus von Süden her markieren. Ebenso äußerte der Bauherr den Wunsch, seinen MitarbeiterInnen die „besten Arbeitsplätze der Welt“ zur Verfügung stellen zu wollen. Hierfür sollte eine hochflexible Arbeitswelt mit unterschiedlichen Formen der interdisziplinären Zusammenarbeit entwickelt werden. Das war die Grundlage dafür, dass ein Haus entstand, was am Ende viel mehr sein darf als ein reiner Verwaltungsbau – auch sicherlich beeinflusst durch die wechselseitig bereichernden Diskussionen zwischen Architekt und Bauherr.

Von weithin sichtbare Landmarke – der in die Höhe geliftete Baukörper scheint mit seinen drei Büroetagen über dem Landschaftsgeschoss zu schweben (Foto: David Matthiessen)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Sämtliche Themen für das neue Haus haben wir aus inhaltlich geprägten Aspekten heraus entwickelt. Zusätzlich zur „Arbeitswelt“ sind im Inneren Räume entstanden, die mit einer neutralen Matrix Möglichkeiten für vielfältige Inszenierungen bieten. Gleichzeitig hatten wir den Anspruch, Räume zu schaffen, die ihren Nutzern besondere Raumerlebnisse bieten. Dabei sollte der neue Baukörper über die Grenzen des Campus hinaus sichtbar sein und selbstbewusst in Erscheinung treten. Hierfür war es von Bedeutung, die vorhandenen, landschaftlich geprägten Elemente des Campus, die neue Freiraumplanung, aber auch die baulichen Elemente des Hauses in einen spannungsreichen Dialog miteinander zu bringen. Auf diese Weise konnte etwas völlig Neues, bislang nicht Dagewesenes geschaffen werden, ein Element, ein Arbeitsort, der alle Aktivitäten auf dem Campus positiv beeinflusst.

Bei der Entwicklung der Gebäudehülle standen vor allem funktionale Überlegungen im Vordergrund: Der feststehende Sonnenschutz schützt die Glasfassaden vor starker Sonneneinstrahlung und lenkt das Tageslicht zugleich bis tief ins Innere der Räume. In Zusammenarbeit mit Bartenbach Lighting Design entwickelten wir ein maßgeschneidertes System, das die wechselnden, komplexen Parameter der Sonnenstände zu unterschiedlichen Jahres- und Tageszeiten berücksichtigt. Des Weiteren erfüllt die Fassadengestaltung natürlich auch ästhetische Ansprüche: Mithilfe der Sonnenschutzelemente rückt die Ablesbarkeit der einzelnen Geschosse – und damit die Einordnung der Maßstäblichkeit – in den Hintergrund. Es entsteht ein Haus, dass sich herkömmlicher Lesart entzieht und als skulpturaler Baukörper wahrgenommen werden kann.

Haupteingang zum Campus World of Sports (Foto: David Matthiessen)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Das Prinzip der Offenheit und Transparenz war stets ausschlaggebend für nahezu alle inhaltlichen Entscheidungen während der Konzeptfindung. Der Wunsch nach einem weltoffenen Miteinander der MitarbeiterInnen aus unterschiedlichen Kontinenten, Kulturen und Gesellschaften war Leitfaden und Grundvoraussetzung bei der Ausformulierung des baulichen Rahmens. Die Topografie des modellierten Landschaftshügel im Zusammenspiel mit dem "Luftgeschoss" artikuliert diese Offenheit – und sie zeigt auch das große Maß an Freiheit, das es bei Gestaltung und Komposition der unterschiedlichen Teilaspekte gab. So konnten diese ganz besonderen Orte und vielfältigen Angebote an Aufenthalts- und Verweilmöglichkeiten entstehen, als Grundlage für eine offene, kommunikative Unternehmenskultur.

Ein unregelmäßiges System aus 67 schrägen, V-förmig angeordneten Stahlverbundstützen in Dreier- und Vierergruppen trägt den Baukörper. Sechs Lichthöfe versorgen die Arbeitsbereiche mit Tageslicht (Foto: David Matthiessen)
Der feststehende Sonnenschutz mindert die Sonnenlichteinstrahlung und lenkt gleichzeitig das Tageslicht in die Tiefen der Räume (Foto: David Matthiessen)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Mit Wahl des Wettbewerbsgewinners hat sich der Bauherr zuerst einmal für eine Grundkonzeption entschieden, für eine erste Idee seines neuen Hauses. Auch hat er sich für einen Architekten entschieden, mit dem er die nächsten Jahre zusammenarbeiten will, mit dem er ein Gebäude gemeinsam weiterentwickeln möchte – von den ersten Skizzen bis hin zum fertigen, nutzbaren Objekt. 

Sicherlich verändern sich die Dinge während des Planungsprozesses, Entscheidungen werden mitunter kontrovers diskutiert. Man lernt den Bauherren, in diesem Fall auch die Marke adidas, über die Jahre intensiv kennen. Es kamen in der Projektarbeit Einflussfaktoren hinzu, von denen wir zu Beginn nur wenig Kenntnis hatten. In Teilen haben wir die adidas Mitarbeiter in den Prozess miteinbezogen, so dass am Ende ein Haus entstanden ist, das sowohl den Bedürfnissen der Nutzer als auch den Grundüberzeugungen der Marke adidas entspricht. Das neue Haus ist ein Unikat und wurde als solches massgeschneidert für diesen Bauherrn entwickelt.

Die „Welcome Area“ im Erdgeschoss empfängt Besucher und Mitarbeiter (Foto: David Matthiessen)
Treff- und Kommunikationspunkt: Die freitragende Stahltreppe führt zur Arbeitswelt in den Obergeschossen (Foto: David Matthiessen)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Rückblickend betrachtet war unser Wettbewerbsbeitrag bereits mehr als eine gute Vorlage für die weitere Zusammenarbeit. In nahezu keinem Punkt hat sich die von uns vorgelegte Konzeption hin zum Negativen, zu etwas "Schlechterem" verändert. Darüber sind wir erst einmal sehr froh.

Die Grundzüge und die wichtigen Elemente aus dem Wettbewerb konnten so realisiert werden, wie wir sie angedacht hatten. Mehr noch, wir konnten den Bauherrn von der Notwendigkeit einer ganzheitlichen Planung überzeugen, die auch das Interior Design umfasste, so dass unser Entwurf auf die Innenräume ausgeweitet und gesamtheitlich von uns bearbeitet wurde.

Die Arbeitswelten bieten auf 52 000 Quadratmetern flexible, frei wählbare Arbeitsplätze. Die Flächen sind auf jedem Geschoss in je sechs Zonen unterteilt, benannt nach strategischen, für den Konzern bedeutsamen Metropolen (Foto: David Matthiessen)
Ausgewählte Farb- und Materialkombinationen charakterisieren die sechs unterschiedlichen Zonen und erleichtern die Orientierung. Schwarz und Gelb symbolisieren „New York“ (Foto: David Matthiessen)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Energetische und konstruktive Entwicklungen beeinflussen nahezu jedes Projekt, da vom ersten Strich einer Konzeption bis zur Umsetzung einige Zeit vergeht und sich Technologien und auch Berechnungsmethoden verändern. Gestalterische Tendenzen spielen dabei eine eher untergeordnete Rolle, da sich Dinge unabhängig entwickeln sollten, für die jeweils vorliegende Aufgabe angemessen und nicht so sehr angelehnt an aktuelle Trends. Würden wir unsere Gestaltung anhand von Moden orientieren, wäre Architektur nichts weiter als eine darstellende Momentaufnahme, die nicht wirklich versucht, Zukünftiges, progressiv vorwärtsgerichtet zu entwickeln, sondern sich damit begnügt, Geschmacksnuancen der Tagesaktualität aufzugreifen.

Entlang einer zentralen Achse entfalten sich die Büroflächen rund um den verbindenden Luftraum (Foto: David Matthiessen)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Es war ausgesprochen hilfreich, Planer und Berater an unserer Seite zu haben, auch ausführende Firmen, die Ideen eingebracht haben, wie dieses Haus überhaupt gebaut werden kann. Alle Fragen die Materialität der Primärkonstruktion und den Bauprozess betreffend mussten umfangreich analysiert werden, um dann fundierte und belastbare Antworten zu erhalten. Dass das Gebäude in den Obergeschossen als Stahlkonstruktion, mit weitgehend vollständig vorkonfektionierten Stahlteilen gebaut wurde, ist ein Teilaspekt, der sich in der Diskussion entwickelte und für die Realisierung notwendig war.

Bei der Gestaltung der Arbeitswelten war es von Bedeutung, die immensen Flächen von 52 000 Quadratmetern gut zu strukturieren. Hierfür haben wir jedes der drei Obergeschosse in sechs Zonen eingeteilt, die sogenannten «Key Cities», benannt nach für adidas strategisch bedeutsamen Metropolen. Für diese Nachbarschaften haben je wir einen Material- und Farbkanon definiert, so dass identitätsstiftende und adressbildende Umgebungen entstehen.

Nachbarschaft-Treffs für informelle Meetings strukturieren die Arbeitsbereiche und stehen den MitarbeiterInnen für ungezwungenen Austausch zur Verfügung. Hier: Los Angeles mit hellem Holz und ozeanblauen Polstern (Foto: David Matthiessen)
adidas World of Sports ARENA
2019
Adi-Dassler-Straße 1
91074 Herzogenaurach

Nutzung
Bürobau

Auftragsart
Wettbewerb 2014, 1. Preis
 
Bauherrschaft
adidas AG, Herzogenaurach

Architektur
Behnisch Architekten, Stuttgart
Projektleitung: Stefan Rappold (Partner), Cornelia Wust
Team: Nadine Hoss, Carina Steidele, Dennis Wirth, Nevyana Tomeva, Martin Buchall, Jorge Carvajal, Laetitia Pierlot, Saori Yamane, Adriana Potlog, Ioana Fagarasan, Anna-Lena Wörn, Abdalrahman Alshorafa, Arlette Haker, Hamdy Saflo, Matteo Cavalli, Mahboubeh Shoeybi, Andreas Peyker, Nadine Waldmann 
 
Fachplaner
Tragwerk: Werner Sobek AG, Stuttgart
HLS: Rentschler und Riedesser, Filderstadt
Elektro und Kunstlichtplanung: Raible+Partner GmbH & Co. KG, Eningen u.A.
Brandschutz: Endreß Ingenieurgesellschaft mbH, Ludwigshafen, D; Oehmke + Herbert, Nürnberg
Bauphysik: Bobran Ingenieure, Stuttgart
Fassade: KuB Fassadentechnik, Schwarzach (AT) 
Tages- und Kunstlichtplanung Sonderbereiche: Bartenbach GmbH, Aldrans/Tirol (AT)
Küchenplanung: SODA Project &Design GmbH, Fürth
Fördertechnik: PlanR, Ditzingen
Gebäudeleitsystem, Grafik: Ockert und Partner, Stuttgart
Landschaftsplanung Campus: LOLA Landscape Architects, Rotterdam (NL)
 
Bauleitung
durch GMP 
Partner: Ed. Züblin AG, Stuttgart
 
Ausführende Firmen, Auswahl
GMP Partner, Generalunternehmer
Ed. Züblin AG, Stuttgart
Stahlbau: ARGE WoS Stahlbau – Züblin Stahlbau GmbH, Hosena
stahl + verbundbau GmbH, Dreieich
Innenausbau: Konrad Knoblauch GmbH, Markdorf
Ganter Interior GmbH, Waldkirch
Raum-in-Raum-Lösungen: RENZ System Komplett Ausbau GmbH, Aidlingen
 
Hersteller
Feststehender Sonnenschutz: RAICO Bautechnik GmbH, Pfaffenhausen
Pfosten-Riegel-Fassade, EG: Schüco International KG, Bielefeld
Elementfassade: GUTMANN Bausysteme GmbH, Weißenburg
Karusseltüren: Boon Edam GmbH, Düsseldorf
Sonnenschutz: WAREMA Renkhoff SE, Marktheidenfeld
Akustikpaneele: Renz Sytem-Komplett-Ausbau GmbH, Aidlingen
Aufzugsanlage: Schindler Aufzüge und Fahrtreppen GmbH, Ismaning
Tür- und Fensterbeschläge: ECO Schulte GmbH & Co KG, Menden
Bodenbelag: Gerflor Mipolam GmbH, Troisdorf
CBL Chemobau Industrieboden GmbH, Leingarten
Tarkett Holding GmbH DESSO, Frankenthal
FINDEISEN GmbH, Ettlingen
Kährs Parkett Deutschland GmbH & Co. KG, Bodelshausen
Bodensysteme: Lindner Group, Ötisheim
Decken: Pagolux Interieur GmbH, Xanten
Lindner Group, Ötisheim
 
Energiestandard
nach EnEV 2014 DINV V18599, 30 Prozent Unterschreitung
Nachhaltigkeitszertifizierung: LEED-Gold angestrebt

Bruttogeschossfläche
52.000 m²
 
Gebäudevolumen
259.000 m³
 
Gesamtkosten
k.A.

Auszeichnung
Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaus
European Steel Design Award 2019, Finalist
 
Fotos
David Matthiessen

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