Zusammenhängender Organismus

Autor
Peter Petz | Podest
Publicado em
jan. 25, 2012

Burger Rudacs Architekten gewinnen den Wettbewerb 'John Cranko Schule' in Stuttgart. Birgit Rudacs und Stefan Burger stellen sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Körnung 
Wie haben Sie die Wettbewerbsaufgabe interpretiert?
Wir haben die drei Funktionsbereiche Ballettschule, Internat und Probebühne als zusammenhängenden Organismus verstanden. Jeder, der dort lebt und arbeitet, will letztlich tanzen. Das ist der Leim, der alles zusammenhält. Für die Ordnung und Fügung der Räume haben wir relativ schnell an Sequenzen, an rhythmische Wiederholungen gedacht. Das übergeordnete Kompositionsprinzip des Baukörpers mit der Probebühne am Urbanplatz direkt hinter der Staatsgalerie, mit dem Internat an der Werastraße und dazwischen aufgespannt den Räumen der Ballettschule entspricht den unterschiedlichen Öffentlichkeitsgraden und damit den städtebaulichen Bedeutungsgewichten der einzelnen Funktionen.
Modell (Foto: Studio Tümmers) 
Wie haben Sie auf den städtebaulichen Kontext und das abfallende Gelände reagiert? Wieviele Testenwürfe haben Sie gemacht, um zum vorgeschlagenen Baukörper zu finden?
Der neue Baukörper der John Cranko Schule wird fluchtend zwischen den jeweils vorhandenen stadträumlich wirkenden Gebäudekanten positioniert. Der städtebaulichen Strategie folgend bilden sich zwei neue Adressen. Oben an der Werastraße die Ballettschule mit Internat, unten am Urbanplatz die Probebühne. Die Ausdehnung, Höhenstaffelung und Körnung des Baukörpers wird somit von städtebaulichen und topographischen Parametern bestimmt.
Wie man den bestehenden Höhensprung von 20 Metern bewältigt hat uns der bestehende Stadtbaukörper gezeigt. Dementsprechend haben wir, auf der Probebühne aufbauend, mit den sich wiederholenden Segmenten der Ballettsäle, einen terrassierten Baukörper entstehen lassen.

Unser erster Ansatz hat mit einer Lösung operiert, bei der alle Ballettsäle auf einer Geschossebene angeordnet waren. Wir haben das aber nicht weiterverfolgt, weil das zwangsläufig einen städtebaulich nicht kompatiblen Baukörper erzeugt. Der zweite Entwurfsansatz sah dann bereits die terrassierte Lösung vor und wurde ausgearbeitet.
Schnitte 
Können Sie uns durch die John Cranko Schule führen, als ob sie schon fertiggestellt wäre?
Die sinnliche Erfahrung der Räume, ihre Oberflächen und Akustik können wir nicht vorweg nehmen. Aber das Raumkonzept mit seinen Eckdaten ist in Grundriss und Schnitt festgeschrieben. Dabei wird der Höhenversatz der einzelnen Segmente mit großem und kleinem Ballettsaal und die dabei entstehenden differenzierten Lichtführungen sowie Einblicke in die Ballettsäle den Charakter des Gebäudes am stärksten prägen. Mineralische Oberflächen, Holz und große Glasflächen sollen den öffentlichen Verkehrsraum wie auch die Säle materialisieren. Also ein klassischer, unaufgeregter Hintergrund, der die tägliche Arbeit in der Schule, den Tanz, ins Rampenlicht rücken soll.
Niveau 7: Eingang, Niveau 8: Ballettschule 
Niveaus 4, 5, 6: Ballettschule 
Niveaus 1, 2, 3: Probebühnen 
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Wir denken Architektur vom Großen ins Kleine, also von der urbanistischen Einbindung, vom Ort ausgehend. Natürlich war es uns auch sehr wichtig eine spezifische, bauplastische Antwort auf das Raumprogramm der Ballettschule zu geben. Das architektonische Potenzial liegt in der Bearbeitung dieses Hanges mit der Überlagerung der Bauaufgabe und deren Interpretation. Das macht die Sache einzigartig.
Blick vom Urbanplatz 
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Die massiven Außenwände werden als zweischalige Sichtbetonwände mit liegender Brettstruktur vorgeschlagen. Das Fassadenmaterial soll die Klarheit des Baukörpers unterstreichen und den öffentlichen Charakter der Schule stärken. Die Kleinmaßstäblichkeit der Oberfläche kontrastiert dabei die Großform. Die Fensterflächen der Ballettsäle liegen eine Wandstärke zurückgesetzt wie Kostbarkeiten in einer Schatulle. Die Ballettsäle erhalten über Holzoberflächen und mineralische Wände einen neutralen und doch heiteren Charakter. Über die differenzierte Lichtführung der einzelnen Säle werden introvertiertere und extrovertiertere Räume entstehen.
Detailschnitt 
Welche Punkte werden Sie noch überarbeiten?
Die Organisation des Internats ist im Wettbewerbsentwurf etwas zu kurz gekommen. Hier werden wir versuchen noch Verbesserungen vorzuschlagen.
Sicherlich wird im weiteren Planungsprozess auch über die dem Baukörper immanente Materialität, dem Sichtbeton, ausgiebig diskutiert und aufgeklärt. Diese Aufklärungs- und Präzisierungsarbeit ist bei Sichtbetonkonzepten aber nichts Ungewöhnliches.
Perspektive 
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Bei der Galaaufführung zum 40-jährigen Jubiläum der John Cranko Schule wurde das Jahr 2016 als Übergabetermin genannt. Die Eröffnung würde dann mit dem 45-jährigen Jubiläum der John Cranko Schule zusammenfallen. Das würde aus unserer Sicht eine seriöse Planungs- und Bauzeit ermöglichen. Wenn das so klappt wäre das wunderbar.
Situation 

Die komplette Wettbewerbsdokumentation finden Sie in
wa 01/2012
John Cranko Schule in Stuttgart
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Wolfgang Riehle, Vors.
Prof. Markus Allmann
Prof. Stefan Behnisch
Prof. Max Dudler
Prof. Hilde Léon
Prof. Peter Schürmann
Prof. Volker Staab
Prof. Tobias Wallisser
Kai Fischer
Annette Ipach-Öhmann

1. Preis
Burger Rudacs Architekten
München

2. Preis
gmp · Architekten
von Gerkan, Marg und Partner

Berlin

3. Preis
Nieto Sobejano Arquitectos S.L.
Berlin

4. Preis
Karl + Probst
München

5. Preis
Lederer Ragnarsdóttir Oei
Stuttgart